Das amerikanische Gesundheitssystem ist bekanntlich kein Ruhmesblatt. Zusätzlich zu den 29,6 Millionen nicht versicherten US-Amerikaner*innen und 30,8 % der unter-versicherten Bürger*innen geht man davon aus, dass weitere bis zu 7,7 Millionen Menschen ihre Versicherung wegen der Corona-Pandemie verloren haben.

Grund dafür ist, dass man im neoliberalen System der USA dazu animiert wird, sich selbst zu versichern, anstatt auf ein staatlich gefördertes System zurückzufallen. Zu Beginn 2020 waren mehr als 150 Millionen US-Amerikaner*innen durch ihre Arbeit versichert. Arbeitgeber*innen nutzen das Anbieten einer vom Unternehmen geförderten Versicherung dazu, um Jobangebote attraktiver zu gestalten. Doch durch die Pandemie fielen 20,6 Millionen Arbeitsplätze weg und dadurch auch die Versicherungen der nun Arbeitslosen.

Ein Grund dafür, dass viele keine Versicherung haben, liegt an den hohen Kosten. Im nationalen Durchschnitt kostet es einen 21-jährigen knapp 5.000 USD (ca. 4.250 EUR) jährlich, um sich zu versichern. Diese Kosten steigen durch verschiedene Faktoren. Alter: Je älter man wird, desto höher wird der monatliche Versicherungsbeitrag. Wo man lebt: Der durchschnittliche Versicherungsbeitrag in 2020 für einen 21-jährigen ist in Rhode Island am niedrigsten mit 3,4 Tausend USD und in New York am höchsten mit fast 8 Tausend USD jährlich. Zigarettenkonsum: Ist man Raucher*in kann man bis zu 50% mehr Beiträge zahlen als Nichtraucher*innen. Anzahl der versicherten Personen: Zahlt man eine Versicherung für eine Familie, so wird das Alter und der Tabakkonsum einer jeden Person mit einberechnet, was die Beiträge meist erheblich erhöht.

Versicherung ist nicht gleich Versicherung, denn auch hier gibt es eine große Anzahl an verschiedenen Angeboten. Nicht alle Formen bieten beispielsweise Zahnarzt*in- oder Optiker*in-Kostendeckung an. Je nach sogenannter „Metal“-Einstufung (Catastrophic, Bronze bis Platinum), werden auch nicht gleich hohe Prozentsätze der Kosten gedeckt. Zusätzlich dazu nimmt nicht jeder Arzt / jede Ärztin oder jedes Spital jede Versicherung an, denn es gibt sogenannte Versicherungs-Netzwerke, innerhalb derer man sich mit seiner Versicherung bewegen muss. Geht man also zum „falschen“ Arzt, bleibt man auf den Kosten sitzen.

Bevor Obama 2010 den ACA (Affordable Care Act) einführte, war es für Versicherungsunternehmen möglich, den Kund*innen aufgrund von Vorerkrankungen eine Versicherung zu verweigern. Dazu zählt beispielsweise Krebs, wenn in der Familie eine Vorgeschichte besteht oder man diesen bereits überwunden hat, Schwangerschaften oder etwa auch Covid-19. Der ACA führte auch dazu, dass sich 20 Millionen mehr US-Amerikaner*innen versichern konnten. Trump und die Republikaner haben schon öfters dagegen gewettert, wie schlecht der ACA aus ihrer Sicht ist und 2017 versucht, diesen durch eine konservative Alternative zu ersetzen. Gescheitert ist der Plan vor allem daran, dass diese Version vor allem Trump-Anhänger*innen die Versicherung entzogen hätte, während es bis zu 200.000 USD in Steuer-Erleichterungen für die reichsten 0,1% gegeben hätte. Doch auch mit dem ACA bleiben immer noch viel zu viele Menschen auf der Strecke und ohne Versicherung.

Vor allem durch die Einkommens-Ungleichheit in den USA kommt es zu einer proportional größeren Quote an nicht Versicherten in der afro-amerikanischen und hispanischen Bevölkerung. Das führt wiederum zum sogenannten Medicaid-Gap. Grob zusammengefasst verdienen Menschen hier gleichzeitig zu viel, um sich für Medicaid (Unterstützung für zu wenig Verdienende) zu bewerben und zu wenig um die Vorteile des ACA nützen zu können. Alles in allem: Die Pandemie legte schonungslos die bereits gravierenden Mängel des Systems offen und vertiefte diese zusätzlich. Ein coronabedingter Krankenhausaufenthalt ohne Komplikationen kostet im Durchschnitt 30.000 Dollar und auf der Intensivstation sogar 73.000 Dollar. Das führt dazu, dass sich viele Erkrankte erst gar nicht melden. Ein nationaler Konsens über die Notwendigkeit einer allgemeinen Krankenversicherung fehlt weiterhin und ist im Moment nicht absehbar. Warum? Im Jahr 1993, als Präsident Bill Clintons Gesundheitsreform-Kommission zusammengestellt wurde, sprachen sich 71% der Bevölkerung für den Reformvorschlag aus, ein Jahr später waren es nur noch 33%. Die öffentliche Diskussion war geprägt von einem anti-sozialistischen Diskurs aus der Ära des Kalten Krieges. Nun, dieser ist zwar vorbei, aber die Angst vor diesbezüglichen Steuererhöhungen und einem staatlichem Eingriff in die Privatsphäre ist geblieben. Sicher ist deshalb, dass das Fehlen eines allgemeinen Versicherungsschutzes für das Gesundheitswesen weiterhin eine Herausforderung bleiben wird. Ob Trump oder Biden die Wahl am 3. November gewinnt, wird jedoch alleine durch den Umgang mit der aktuellen Krise eine enorme Auswirkung auch darauf haben.