Die Hölle auf Erden oder persönlich-politisches zum Flüchtlingscamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos
Nach den vielen Berichten über die unglaublichen Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln wollte ich mir selbst ein Bild machen und reiste nach Lesbos. Wer das Flüchtlingscamp dort mit eigenen Augen sieht, glaubt nicht, in der EU zu sein. Moria ist ein erschütternder Ort, wo weit über 20.000 Menschen, ein Drittel davon Kinder, zusammengepfercht in tiefstem Elend dahinvegetieren. Sie können weder vor noch zurück. Eine völlig überforderte Asylbürokratie schiebt Verfahren oft auf Jahre hinaus und befördert die Flüchtlinge damit in eine unbestimmte Sackgasse: Ein Häftling weiß, wann seine Haftzeit zu Ende ist, ein Flüchtling in Moria weiß nicht, wann und ob er diesen hoffnungslosen Ort verlassen wird. Die Situation wird zunehmend schlimmer, denn täglich kommen mehr Menschen in dem völlig überfüllten Lager an. Stundenlang stellen sich die Menschen um Essen an, nur um am Ende doch hungrig zu bleiben. Wer wird schon von einem Keks zum Frühstück satt?
In der Nacht herrscht völlige Gesetzlosigkeit. Viele Frauen trinken ab Mittag nichts mehr, weil sie sich zu späterer Stunde nicht mehr auf die Toilette trauen. Unbegleitete minderjährige Kinder werden zum Freiwild für erwachsene Männer. Zwar gibt es eine „safe zone“ für von Gewalt betroffene, doch es gibt nicht genügend Platz für alle. Im Camp ist die Luft dick: Es gibt keine Müllabfuhr, die Ausflüsse der Toilettenanlagen fließen mitten in den Fluss, in dem Kinder spielen. Natürliche Geburten gibt es hier kaum. Schwangeren Frauen wird ein Kaiserschnitt zu bestimmten Terminen verordnet. Schon am Tag nach der Geburt sind sie wieder im Lager. Die Infektionsgefahr ist aufgrund der katastrophalen hygienischen Zustände groß.
Fakt ist: Wenn Ignoranz die Idee der Menschlichkeit verdrängt, haben wir uns selbst aufgegeben, denn wir verraten damit unser humanistisches Erbe.
Die europäische wie auch die österreichische Politik müssen deshalb rasch handeln! Nach meiner Rückkehr von Lesbos habe ich mich daher im Außenpolitischen Ausschuss in einem Entschließungsantrag für konkrete Maßnahmen und Soforthilfe für Griechenland, aber auch für Syrien stark gemacht. Diesen Antrag haben neben der ÖVP und den Grünen schlussendlich auch die NEOS und die SPÖ unterstützt:
„Die Bundesregierung wird ersucht unter anderem, aus dem Auslandskatastrophenfonds ehestmöglich gezielt weitere Mittel für die Arbeit des UNHCR, des IKRK und anderer Hilfsorganisationen, die in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln, in der Krisenregion Idlib/Nordwestsyrien und im türkisch-griechischen Grenzgebiet tätig sind, bereitzustellen.
Die Bundesregierung wird weiters ersucht,
- sich für die Unterstützung der griechischen Asylbehörde in Abstimmung mit dem Europäischen Asylunterstützungsbüro (EASO) bei der Registrierung von Schutzsuchenden, vor allem auf den griechischen Inseln, und bei der raschen Durchführung der Asylverfahren einzusetzen, und hier auch die notwendige (u.a. juristische) Expertise und logistische Hilfe anzubieten;
- auf der Basis des von Seiten Griechenlands definierten Bedarfs noch näher zu definierende Unterstützung bei der medizinischen und psychologischen Betreuung der Schutzsuchenden, die sich auf den griechischen Inseln befinden, anzubieten;
- sich auf EU-Ebene aktiv dafür einzusetzen, dass die € 700 Mio. Hilfe für Griechenland einschließlich der ersten Tranche von € 350 Mio., neben der Stärkung der EU-Außengrenze, auch der Stärkung des Flüchtlingsschutzes und den Schutzsuchenden dient;
- sich auf internationaler Ebene aktiv für den Schutz der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens einzusetzen;
- so bald wie möglich und unter Berücksichtigung der anderen derzeitigen Herausforderungen (Migrationssituation an der EU-Außengrenze und anderes) mit der Erarbeitung der im Regierungsprogramm vorgesehenen Migrationsstrategie anzufangen und das dafür vorgesehene interministerielle Steuerungsgremium einzusetzen.
Es geht natürlich mehr, keine Frage. Daher arbeiten wir an der Sache weiter. Wir Grüne wollen Menschen helfen, Menschenrechte wahren und menschliche Lösungen. Unsere Position in Bezug auf die Aufnahme von v.a. Kindern und einer Beteiligung an einer europäischen „Allianz der Willigen“ ist klar und wurde dieser Tage mehrmals kundgetan: Dafür gibt es schlicht (noch) keinen Konsens und damit keine Mehrheit. Ich freue mich aber über jene Maßnahmen, die eine Mehrheit hatten, trotzdem sehr. Jede einzelne sorgt dafür, dass sich die Lebensverhältnisse der Menschen in den Lagern verbessert!
In Zeiten der Coronakrise verschärft sich aktuell die Situation auch dort. Wir sagen: Europa darf – wir dürfen – hier nicht wegschauen. Tausende geflüchtete Menschen werden seit Monaten in höchst prekären, menschenverachtenden Bedingungen auf den griechischen Inseln festgehalten. Daher fordern wir Grünen seit langem, dass die überfüllten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln evakuiert und die Schutzsuchenden aufs griechische Festland gebracht werden. Es braucht dringend konkrete Hilfsmaßnahmen vor Ort im Sinne der europäischen Solidarität. Zudem ist es die Position der Grünen, dass sich Österreich wie Deutschland an der „Allianz der Willigen“ beteiligen sollte, um so rasch wie möglich besonders schutzbedürftige Personen wie Kinder aufzunehmen.
Es darf in Europa keine Menschenrechte zweiter Klasse geben; und angesichts des Coronavirus ist die Evakuation der Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln dringender denn je. Wir stehen mit unserem türkisen Koalitionspartner deshalb konstant in Verhandlungen.
Mein letztes Interview zum Thema: https://www.derstandard.at/story/2000115974048/virtuelle-demo-gegen-rassismus?fbclid=IwAR2zTwEF0fd-ybJkTF4aciKN1XCS58iYnke08pHxcJvmlYtzCRjDvjuIrPI).
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