Dazu diskutierte ich in einer von Doctors Agains Forced Organ Harvesting (DAFOH) organisierten internationalen Runde mit vielen Fragen: Wie umgehen mit einem Land, in dem Minderheiten wie Tibeter oder Uiguren systematisch unterdrückt werden, wo ein orchestrierter Organraub stattfindet und der Ausbruch des Coronavirus, welcher zur Pandemie führte, von Mangel an Transparenz gekennzeichnet ist? Können wir tatenlos zusehen, wenn Österreicher*innen für eine Transplantation nach China reisen und dadurch womöglich das Todesurteil für einen Polithäftling auslösen? Wie können unsere geschäftlichen Beziehungen zu China aussehen, wenn das Land gleichzeitig massiv Menschenrechte verletzt? Über den Tellerrand zu blicken, ist ob der Komplexität nicht einfach:

Was jedenfalls zutrifft, ist, dass unter dem Deckmantel der Ideale der Kommunistischen Partei die herrschende Elite rund um den Präsidenten Xi Jinping einen autoritären Turbokapitalismus mit einem technologisch ausgeklügelten Überwachungssystem geschaffen hat. Gegen „störende Elemente“ wie die Demokratiebewegung in Hongkong geht die Zentrale in Peking mit Rechtsbruch und Gewalt vor, während sie das demokratische Taiwan mit wachsender militärischer Bedrohung einzuschüchtern sucht. Beim diesjährigen Volkskongress, der erst kürzlich zu Ende gegangen ist, zeigte Peking eindrücklich, wie wenig es sich um Verträge schert, die der Sonderwirtschaftszone Hongkong bis zum Jahr 2047 demokratische Strukturen zusichern. Das Scheinparlament hat Hongkongs Verfassung dahingehend geändert, dass sich für politische Ämter künftig nur noch „Patriot*innen“ bewerben dürfen. Nach welchen Kriterien jemand unter diese Kategorie falle, definierte der Hongkonger Minister für Festland-Angelegenheiten, Eric Tsang, zum Beispiel so: „wenn du die Führung der Kommunistischen Partei Chinas liebst“. Abgesehen davon sollen künftig nur noch 20 von 90 Sitzen im Parlament durch direkte Wahl entschieden werden. Zuvor war es die Hälfte der Sitze. Alle Kandidat*innen müssen außerdem von einem Wahlkomitee nominiert werden, das so umgestaltet wurde, dass Pekings Loyalist*innen dort künftig eine gesicherte Mehrheit haben. Das prodemokratische Lager kann sich nicht mehr wehren. Seine führenden Köpfe sind entweder im Gefängnis oder im Exil.

Auch in einem Bereich, in dem es in den vergangenen Jahrzehnten den Anschein hatte, als würde China aus menschenrechtlicher Sicht Fortschritte machen, gab es einen Rückschlag: Obwohl China Homosexualität 1997 entkriminalisiert hatte und vier Jahre darauf entschieden wurde, dass Homosexualität nicht mehr als psychische Störung eingestuft wird, kam es nun zu einem gegenteiligen Gerichtsurteil – Homosexualität darf demnach wieder offiziell als psychosexuelle Störungen bezeichnet werden, mit allen Konsequenzen. Auch sonst: China ist ein Staat, der universelle Menschenrechte nicht einmal als Konzept akzeptiert, der Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit nicht erlaubt und glaubt, (religiöse) Minderheiten in Lagern „umerziehen“ zu können. Hinzukommt: China will Weltmacht sein und rüstet sein Militär weiter auf, errichtet mit seinem Seidenstraßen-Projekt eine Art Imperium und macht die Staaten in Asien und Afrika entlang dieser mit großen Infrastrukturkrediten von sich abhängig. Auf Kritik folgt Strafe. So wurden kürzlich Importprodukte aus Australien mit Zöllen belegt, weil das Land eine unabhängige Untersuchung der Ursprünge der Corona-Pandemie in China einforderte.

In Europa  wie überhaupt in der gesamten westlichen Welt ist demokratisches Stehvermögen gegenüber China gefragt. Die kürzliche Nachricht aus Brüssel, dass die Europäische Union wegen der massenhaften Internierung muslimischer Uigur*innen Sanktionen gegen Vertreter*innen des Regimes vorbereiten will, ist dabei ein guter Anfang. Wir werden sehen: Bislang verhielt sich das kritische Auftreten gegenüber China ja umgekehrt proportional zum Umfang des gemeinsamen Handelsvolumens. Eine Studie zeigte kürzlich die Abhängigkeit der EU von China in 103 Kategorien auf. Europas Chinapolitik steht zweifelsohne vor wegweisenden Entscheidungen.