Andrzej Duda hat die Präsidentschaftswahl in Polen gewonnen. Das Land ist tief gespalten: Die Ergebnisse variieren enorm je nach Region, Bildung, Beruf, Geschlecht, Alter oder ob jemand im In- oder Ausland oder lebt. 10 Millionen Stimmen für Rafal Trzaskowski sind eine starke Botschaft für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Frauenrechte und gegen Diskriminierung von LGBTI-Personen. Die Linken wählten ihn trotzdem nicht.

Es war eine nervenaufreibende Wahlnacht. Bereits den ersten Exit Poll mit nur 0,8% Abstand nahm Duda zum Anlass, um vor seiner tobenden Anhängerschaft den Sieg zu verkünden. Inmitten einem Meer aus polnischen Fahnen wurde der erste Satz der Hymne „Noch ist Polen nicht verloren“ zum Beschwörungsmantra. Niemand wollte mehr die endgültigen Ergebnisse abwarten, zu aufwühlend waren die letzten Wochen für die PiS-Partei, die sich erstmals ernsthafter Konkurrenz stellen musste. Ein Sieg Trzaskowskis würde Neuwahlen samt Instabilität bedeuten, hatte man zuvor erfolgreich verbreitet.

Kompromisskandidat Trzaskowski stieg erst spät in den Wahl-Ring. Die Inszenierung seiner Kandidatur erinnerte an jene Obamas. Die liberale Trzaskowski-Familie, auf deren Veranstaltungen auch Europa,- und Regenbogenfahnen geschwenkt wurden, gab sich weltoffen und appellierte an die Zivilbevölkerung, mit einer Stimme für sie auch die PiS- Attacken auf diverse Menschengruppen abzuwählen. „Gosia“ Trzaskowska, die mögliche First Lady, bemühte leidenschaftlich das Frauenwahlrecht als schrieben wir das Jahr 1920. Doch Bekenntnisse ohne konkrete Programmatik erwiesen sich als zu wenig. Es ließ sich nicht verheimlichen, dass Trzaskowski der „Bürgerplattform“ (PO) entstammt, die als frühere Regierungspartei die Pensionen gekürzt und durch ihre fehlende Sozialpolitik viele Menschen in die Arme der PiS gedrängt hatte. Mit 500+ zloty pro Kind verminderte diese den Druck, einer Arbeit nachzugehen, man konnte stattdessen frei dem Patriotismus frönen. Hinzu kam, dass sich die unterlegenen 9 Bewerber für die Präsidentschaft nach der ersten Runde beleidigt zurücklehnten und keine Wahlempfehlung abgaben.

Die Wahlbeteiligung der Auslandspol*innen war hoch: 520.000 Wahlberechtigte haben sich für die Stichwahl registriert. Ihre Stimmen gingen vor allem an Trzaskowski. In der Diaspora gilt die PiS vielen als rückständig. In der polnischen Botschaft in Wien hatten sich knapp 9.000 Personen gemeldet, 66,27% wählten demonstrativ in blau gekleidet – der Farbe Trzaskowskis. Der Herausforderer gewann aber nicht nur in großen Städten und bei den Auslandspolen. Er hat die gläserne Decke des Staatsapparats gesprengt und neue Kräfte mobilisiert. Unabhängig vom Ergebnis ist diese Wahl eine Zäsur: Niemand glaubte, dass es bei der Allgegenwärtigkeit des Kaczynski-Clans samt medialer Hexenjagd auf den Konkurrenten überhaupt möglich ist, neue Mehrheiten zu erlangen. Die höchste Wahlbeteiligung seit 1989 mit knapp 70% spricht für eine lebendige Demokratie. Den knapp 50% liberalen und pro-europäischen Stimmen muss Duda jetzt Raum gewähren, ansonsten führt der Spalt in der Gesellschaft zu einem parteipolitischen Hick-Hack ohne jeglichen demokratischen Anspruch. Durch die Wiederwahl Dudas stellt sich nun auch die Frage, wie Polen in den kommenden Jahren mit der EU zusammenarbeiten wird. Gerade in der jetzigen Krise wäre eine solidarische Haltung unerlässlich.

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Wahlmanipulation steht im Raum, doch pandemiebedingt bleiben nur drei Tage, um die Wahl anzufechten. Viele Briefwahlkarten kamen nicht an. Zudem fehlte auf vielen der Stempel: Mindestens eine halbe Million Menschen konnte dadurch nicht wählen. So singt aktuell auch die Opposition wieder den ersten Satz der polnischen Hymne – ist sie doch der Meinung, dass Polen aktuell von einer radikalen Minderheit regiert wird, die nur deshalb erfolgreich sei, weil sie disziplinierter sei. Jetzt entscheiden jedenfalls ausgerechnet jene Gerichte über die wahrscheinliche Anfechtung, denen es durch die PiS-Partei zuvor an den Kragen ging.