Ein Treppenwitz der Geschichte mit einem Mauerbau und die Toten im Wald – es riecht wieder nach Kaltem Krieg.

Warschau Radio Maryja berichtet heute morgen, die Solidarność (bekannt für ihrem Einsatz für Freiheit, Demokratie und den Mauerfall 1989) fordert, die neue Mauer an der Grenze zu Belarus soll aus polnischen Stahl gebaut werden. Nix mit Internationaler Solidarität, es geht um Flüchtlinge und die werden hier mehrheitlich als Bedrohung wahrgenommen. Auch wenn es keine Massen sind und es sich um viele Kinder und Frauen handelt, tut die Regierungspartei PiS alles, um rassistische Politik am Rücken dieser Menschen und zu ihrem Vorteil zu machen. Seit Wochen hört man haarsträubende Geschichten darüber, was sich hier abspielt.

Polen hat vor Wochen den Ausnahmezustand ausgerufen: Die Menschen in der Grenzregion sind verzweifelt, dürfen keinen Besuch mehr bekommen von Ortsfremden, den Flüchtlingen auch nicht helfen und können aufgrund der Schreie dieser aus den Wäldern nicht schlafen. Das Tragische ist nicht nur, dass nicht einmal Presse und Hilfsorganisationen zu den Menschen dürfen, sondern auch die offiziellen Stellen die Schutzsuchenden weder mit Wasser noch Essen oder Decken versorgen. „Man lässt die Leute bewusst krepieren, als Abschreckung“, erzählt mir eine Helferin, die trotzdem versucht, den Flüchtlingen zumindest warme Jacken in den Wald zu schmuggeln. Spenden gibt es genug – die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist groß. Denn auch wenn viele sich vor einer „unkontrollierten Fluchtbewegung“ fürchten, findet niemand mit dem ich gesprochen habe, dass es in Ordnung ist, dass in polnischen Wäldern Menschen sterben. Denn Polen hätte die Pflicht diese zu registrieren und zu prüfen, ob sie ein Anrecht auf Asyl haben. Stattdessen hat man offiziell Pushbacks, also die gewaltvolle Zurückweisung „legalisiert“ – konkret bricht Polen damit das Völkerrecht.

Nur: Niemanden kümmert es. Die Kritik an der Europäischen Union ist klar und laut. Diese würde wegsehen, die Rechtsbrüche zwar verurteilen, aber den Kopf in den Sand stecken. Zu groß ist die Angst, dass Belarus (und Lukaschenkos Freund Putin) noch mehr Flüchtlinge an die Grenzen von Polen und Litauen karren und mit diesem brutale Geopolitik betreiben. Am Weg in die Wälder an der Grenze, danke ich allen bisherigen Gesprächspartner*innen, die mir von ihren Erfahrungen erzählten. Allen voran der Vizepräsidentin im Senat Gabriela Morawska-Stanecka, den Abgeordneten Anita Sowińska und Anna Maria Żukowska (Neue Linke) Magdalena Biejat (Partia Razem) und der politischen Aktivistin Anita Ziegler-Chamielec (Lewica) wie meiner polnischen Praktikantin Katarzyna Zygmunt. Was täte die Welt ohne diese wunderbaren Frauen, aber dazu später.