Die aktuellen Berichte über die Polizeigewalt gegenüber friedlichen Demonstrant*innen in Nigeria  sind schockierend. Wenn Institutionen eines Staates die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit suspendieren, läuft das gesamte politische System Gefahr, zu einem Feindbild der Bevölkerung zu werden. Wenn dieser Punkt erreicht ist, kann ein Zusammenbruch der staatlichen Ordnung mit allen Konsequenzen nicht mehr aufgehalten werden.

Die soziale Situation im bevölkerungsreichsten Land Afrikas ist sei seit Jahren von extremer Ungleichheit geprägt. Während im ölreichen Nigeria einige der reichsten Menschen Afrikas wohnen, ist die größte Volkswirtschaft des Kontinents in absoluten Zahlen zugleich von größter Armut der Welt geprägt. Der Preisverfall für Öl hat das Land 2016 in die Rezession getrieben. All das hat dramatische Folgen vor allem für die junge Generation, von der die aktuellen Proteste in erster Linie getragen werden – denn die Armut steigt mit der grassierenden Arbeitslosigkeit, dem Verfall der Infrastruktur und der zunehmenden Perspektivenlosigkeit.

Die tödlichen Übergriffe einer mittlerweile aufgelösten Polizeieinheit haben das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Die Coronavirus-Pandemie hat die Situation in Nigeria zusätzlich verschlimmert. Die Vereinten Nationen gehen von einem verdreifachten Bedarf an humanitärer Hilfe bis Jahresende aus. Einmal mehr wird sichtbar: Die Krisen unserer Zeit kennen keine nationalen Grenzen. Je mehr wir voneinander abhängig sind, desto mehr müssen wir den Eskalationen von globaler Bedeutung unsere Aufmerksamkeit widmen. Wenn, wie aktuell in Nigeria, gewählte Volksvertreter*innen das Vertrauen der Bevölkerung verlieren, werden diese in weiterer Folge das Vertrauen in die Demokratie verlieren. Die Entwicklung in Nigeria ist somit nicht nur eine Gefahr für die weitere demokratische Entwicklung der gesamten Region, sondern auch für die angrenzenden Staaten. Hoffen wir, dass die Lage nicht weiter angeheizt wird, die Gewalt bald ein Ende hat und kein Zündstoff für weitere Konflikte wird!