Was haben Alma Zadic, Maria Vassilakou und ich gemeinsam? Wir sind Politikerinnen und Migrantinnen – ein gefundenes Fressen für rassistische Sexisten. Wie Migrantinnen durch Verachtung mundtot gemacht werden, und wieso es kaum welche in der Politik gibt.

Die Empörung ist punktuell, das Problem hat System: Bestimmte Personen und Gruppen auszuschließen gehört zum Repertoire der Rechten und Ewiggestrigen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals nach einem öffentlichen Auftritt nicht mit der Aufforderung konfrontiert war, „nach Hause“ zu gehen. Wenn frau sich jedes Mal öffentlich darüber empören würde, hieße das, rund um die Uhr beschäftigt zu sein. Wegschauen oder Ignorieren ist deshalb oft Selbstschutz und Strategie.

Ratio und Shitstorm
Was bleibt, ist die permanente Rechtfertigung: Ich bin hier in die Schule gegangen, habe hier studiert und nie woanders Steuern bezahlt. Fast möchte man alle erworbenen Zeugnisse zeigen, damit man endlich dazugehört. Nur: Rationale Argumente halten einem Shitstorm nicht stand, und was folgt ist der Vorwurf, man hätte sich von Österreich das Studium zahlen lassen. Um Argumente geht es sowieso nicht, die Kernaussage ist klar: Sei still, du gehörst nicht dazu. Sei dankbar und deshalb still.

In Österreich haben über 20 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner, also jeder fünfte Mensch, einen sogenannten Migrationshintergrund, im Nationalrat drei Prozent der 183 Abgeordneten: Einen einzigen Abgeordneten gibt es in der ÖVP, drei in der SPÖ, bei FPÖ und den Neos niemanden, bei der Liste Pilz zwei. Im Bundesrat bin ich die Einzige – da rückt der Hintergrund oft in den Vordergrund, auch wenn es nicht um Migration geht. Auch bei mir war es ein ÖVPler, der mir nahelegte, das Land zu verlassen, wenn ich der Polizei nicht glaube – es ging wie bei Alma Zadic um die BVT-Razzia. Position zu beziehen und Politik zu machen scheint noch immer das Privileg von weißen Männern zu sein. Werden Frauen generell aus der Öffentlichkeit gedrängt, so werden migrantische Frauen verbal rausgeprügelt.

Nichtexistentes Binnen-I

Zwei Frauen werden in Österreich pro Monat ermordet, jede fünfte Frau erfährt Gewalt, jährlich werden an die 300.000 Frauen von ihren Partnern misshandelt und 3000 Frauen flüchten in die 30 Frauenhäuser, in denen stets Platzmangel herrscht. Aber den Frauen- und Beratungsstellen werden von der aktuellen Regierung die Mittel gekürzt, während man sich über das nichtexistente Binnen-I beim Bundesheer empört, um von den wirklichen Problemen abzulenken:

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, ökonomische Unabhängigkeit, Chancengerechtigkeit beim Zugang zur Bildung, Umverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und Vermögen, Durchbrechen der gläsernen Decke in Wirtschaft und Politik, Selbstbestimmung auf allen Ebenen, vor allem beim Thema Reproduktion, existenzsichernde Arbeitsplätze und Vereinbarkeit von Beruf und Familie, genauso wie Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und Mädchen – die Liste ist lang, da ist es einfacher jene Frauen zu beschimpfen, die die Finger in die Wunden legen.

Mächtige Sprache

Sprache ist ein mächtiges Mittel, sie kann Machtverhältnisse zum Ausdruck bringen und Machtansprüche erheben. Sprache untersteht einem steten Wandel. Deshalb wird geschlechtergerechte Sprache dermaßen von Traditionalisten bekämpft. Sprachliche Diskriminierung ist jene Form von Sprachgebrauch, bei der eine andere Person oder Gruppe von einzelnen Personen bewusst oder unbewusst abgewertet, beleidigt oder angegriffen wird. Migrantin in einer tendenziell rassistischen Gesellschaft zu sein ist im Übrigen, wie sich als Frau in patriarchal geprägten Strukturen zu behaupten.

Der Politik und ihrer Rhetorik fällt wegen ihrer medialen Breitenwirkung eine ganz besondere Verantwortung zu. Wir erleben einen „Backlash“ und müssen aufschreien und Widerstand leisten, anstatt schweigsam den Sitzungssaal zu verlassen. Die Geduld der Frauen ist die Macht der Männer. Diese sollten sich als Repräsentanten der Republik deshalb nicht nur zu Demokratie und Rechtsstaat bekennen, sondern bei ihrer Angelobung klar für Chancengerechtigkeit und gegen Frauenverachtung aussprechen.

Es muss eine Selbstverständlichkeit werden, dass Männer am Präsidium wie in den Sitzreihen bei Sexismus aufstehen. Wir lassen uns nämlich unsere Arbeit für Österreich nicht schlechtmachen! (Ewa Dziedzic, 13.6.2018)