Wie prophezeit wurde es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der sozialistischen Partei (PS) von Edi Rama und dem Oppositionsbündnis um die Demokraten (PD) von Lulzim Basha. Die Wahlbeobachtung war fordernd.

Die spannende Frage blieb: Werden die regierenden Sozialisten genug Stimmen zusammenbekommen, um weiterhin alleine regieren zu können oder wird das Oppositionsbündnis stark genug, um mithilfe von kleineren Parteien diese Mehrheit brechen zu können.

Nach Auszählung von mehr als 50% der Stimmen sieht es derzeit danach aus, als ob die PS die stärkste Kraft im Land bleiben würde. Was sicher ist: Albanien ist politisch tief gespalten, der „Hass“ zwischen den beiden größten Lagern sitzt tief. Die Opposition wirft den regierenden Sozialisten Wahlbetrug, Korruption und Verstrickungen in die Organisierte Kriminalität vor. Sie boykottierte das Parlament, sowie die Kommunalwahlen 2019 und organisierte stattdessen Massenproteste.

Da es in dem Land, das seit dem Vorjahr offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union ist, in der Vergangenheit immer wieder zu Fällen von Wahlbetrug kam, wurde die Parlamentswahl gestern von Wahlbeobachter*innen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwacht. Bisher gab es noch bei jeder Wahl in Albanien Beanstandungen seitens der Beobachter*innen aus dem Ausland. Wir waren im Süden unterwegs und auch wenn die Menschen überaus verständnisvoll waren, nimmt man es hier mit der Pandemie nicht allzu ernst: Die Wahlen fanden meist in winzig kleinen Schulklassen oder abgerissen Dorfhäusern – meist ohne Abstand und Maske – statt. Es gab zum ersten Mal eine elektronische Erfassung der Wähler*innen, wo der Fingerabdruck aber oft nur mit Glück funktionierte. Der Umgang mit den Daten, die so erfasst wurden, ist eher verantwortungslos, gehören die Geräte doch einem Privatmann. Niemand weiß, was dann mit diesen passiert – so viel zum Wahlgeheimnis.

In jeder Station erfassten wir die Größe der Kommission, den Ablauf, die Korrektheit des Erfassung, die Anzahl der registrierten Wähler*innen und die Stimmung. Diese war meist gut – so als gäbe es keine Konkurrenz zwischen den Beobachter*innen der einzelnen Parteien. Nachdem wir die Berichte zwecks Auswertung eingemeldet haben, geht es für mich zurück nach Wien – das Endergebnis liegt wohl in der Nacht vor.

Was bei solchen Missionen sichtbar wird, ist, dass es kein Rezept für Demokratie gibt und das Streben danach der wichtigere Gradmesser zu sein scheint. Seit 1991 ist das hier kein einfacher Prozess, aber einer, der unumkehrbar ist – möchte die Mehrheit im Land doch aus Überzeugung der Europäischen Union beitreten.