Die Wiederkehr der Dschihadisten
Die Wiederkehr der Dschihadisten oder mit einem blutigen Überfall auf ein Gefängnis in der Stadt Al-Hasaka im syrisch-kurdischen Autonomiegebiet meldet sich der IS zurück.
Über 200 Kämpfer des „Islamischen Staates“ stürmten das Verlies, um Gesinnungsgenossen zu befreien. Mindestens 130 Tote sind bisher zu beklagen, darunter viele Zivilist*innen, befindet sich das Gefängnis doch mitten in einem Wohngebiet. Die Kämpfe dauern noch immer an, bisher schaut keiner hin. Die Kurden und Kurdinnen gehen mit Anti-Terror-Spezialkräften vor, bringen schwere Maschinengewehre auf Dächern in Stellung, lassen Panzer auffahren. Die US-Armee schickte Apache-Helikopter, um die Dschihadisten ins Visier zu nehmen. Besonders perfide ist, dass diese um die 850 Kinder (sic!) als lebende Schutzschilde missbrauchen. Wieso schaut Europa hier noch weg?
Die Wiederkehr des IS ist nämlich keine Überraschung. Sie ist vielmehr Folge einer vorhersehbaren Entwicklung. Viel zu lange sind die Kurd*innen mit dem Problem der rund 12000 IS-Gefangenen in Gefängnissen und weiteren Zigtausenden in Gefangenenlagern im syrisch-kurdischem Autonomiegebiet alleine gelassen worden. Die ganze Welt hat sich blind gestellt, obwohl ein großer Teil der Dschihadisten von überall her kommt. Laut den kurdischen Behörden gibt es unter den derzeitigen Insassen über 50 (!) Nationalitäten. Es ist partout nicht einzusehen, warum die Kurd*innen dieses Schlamassel alleine ausbaden sollen, wenn doch die Dschihadisten auch aus unseren Breiten ins Kriegsgebiet gereist sind. Regelmäßig ertönt in Europa der Ruf, straffällig gewordene Ausländer*innen außer Landes zu bringen. Umgekehrt sind die europäischen Staaten nicht bereit, dieselben Maßstäbe auch bei sich anzulegen und ihren eigenen Staatsbürger*innen zuhause den Prozess zu machen.
Wir haben es hier mit der größten IS-Offensive seit der Zerschlagung ihres Territoriums vor knapp drei Jahren zu tun. Seit damals haben die Syrischen Demokratischen Kräfte um Unterstützung bei der Bewachung, Unterbringung und Aburteilung der Schwerverbrecher gefleht. Einige EU-Staaten haben nicht nur nicht ihre eigenen Staatsbürger*innen zurückgenommen, sie haben den Kurden und Kurdinnen auch sonst keine Unterstützung für die Bewachung oder Versorgung der heimischen Terroristen nach Syrien geschickt. Wenn die internationale Staatengemeinschaft hier keine Lösung findet, und sei es in Form eines internationalen Tribunals, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein ähnliches Ereignis wiederholt.
Äußerst hinterfragenswert ist auch das Verhalten der Türkei Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie den Dschihadisten militärisch unter die Arme greift. Laut Medienberichten sind entkommene IS-Kämpfer nicht nur in von der Türkei besetzte Gebiete geflohen, die türkische Armee hat offenbar sogar versucht, die Gegenoffensive der Kurd*innen mit Drohnenangriffen aufzuhalten. Die Situation ist wahrlich absurd: Auf der einen Seite unterstützen die USA die Kurdenmilizen bei der Eindämmung des IS-Angriffs mit Kampfhubschraubern. Auf der anderen Seite sabotiert der NATO-Verbündete Türkei die Abwehrversuche kurdischer Kräfte. Für mich ist klar: Es ist höchst an der Zeit, die Rolle der Türkei in diesem perfiden Spiel in internationalen Gremien zu diskutieren. Wenn ständig Öl ins Feuer gegossen wird, wird sich die Lage in Nordostsyrien nie beruhigen.
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