Mauerfall war gestern
Mauerfall war gestern heute gibt’s wieder Mauerbau oder ein Treppenwitz der Geschichte, das 353 Millionen Euro teure Abschottungsprojekt in Polen.
Polen will eine fast 200 Kilometer lange Grenzanlage zu Belarus errichten. Jetzt gab‘s den Startschuss dafür. Der fünfeinhalb Meter hohe Bau soll Flüchtlinge abhalten – doch er erregt v.a. Widerstand: Sowohl Menschenrechtler*innen, die eine Aushöhlung des europäischen Asylrechts befürchten, als auch Umweltschützer*innen laufen dagegen Sturm, denn der Wall führt mitten durch den ältesten Urwald Europas und wird dessen Ökosystem empfindlich treffen. Polen begründet den Mauerbau u.a. mit „hybriden Angriffen“. Aber:
- es handelt sich bei den Schutzsuchenden um Menschen, die Schutz suchen, und nicht um Waffen
- keine Mauer verhindert, dass weniger Menschen auf der Welt vor Krieg und Hunger fliehen
- eine Mauer wird nur zu noch mehr Toten führen, wie viele es bereits sind, weiß niemand.
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass gerade ein osteuropäisches Land, das vor noch nicht allzu langer Zeit noch selbst um seine Freiheit kämpfte, jetzt Tote an seinen Grenzen in Kauf nehmen wird. Diese polnische Ausnahmezone, in die bis heute (!) weder Hilfsorganisationen noch Medien rein dürfen, gehört schon lange weg. Was sich in dieser seit Monaten abspielt, gehört dringend untersucht. Ich war vor zwei Monaten im Grenzgebiet und habe mit eigenen Augen gesehen, was für Dramen sich dort abspielen. Mittlerweile wurde das Thema von anderen aus der medialen Berichterstattung und damit aus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt – aus den Augen, aus dem Sinn. Die Realität sieht jedoch anders aus. Denn auch wenn die Kameras nicht mehr auf das Leid gerichtet sind, geht das Leiden dennoch weiter.
Ich sehe mich hier auf einer Linie mit der Position der EU, deren Innenkommissarin Ylva Johansson sich erst vor einigen Tagen zum wiederholten Male gegen den Bau von Mauern und Stacheldrahtzäunen ausgesprochen hat. Was Europa braucht, ist eine gesamtheitliche Migrationsstrategie und legale, sichere und geordnete Fluchtwege. Das was jetzt passiert, ist dagegen eine menschenrechtliche Bankrotterklärung, welche langsam aber sicher die Grundfeste zerrüttet, auf denen Europa gebaut ist. Fakt ist: Die europäischen Staaten sollten ihr Geld und ihre Energie lieber dafür einzusetzen, Kriegs-, Krisen- und andere Fluchtursachen zu verringern und den Menschen in ihren Heimatländern Lebensperspektiven in einem Umfeld sozialer, wirtschaftlicher und politischer Stabilität ermöglichen. Aber wenn Schutzsuchende an unseren Grenzen ankommen, dann muss sicher sein, dass wir auf europäischem Boden das Völkerrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention achten – nicht mit Füßen treten und sie an Mauern abprallen lassen.
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