Russland – China – USA
Die Party zum Ukraine-Krieg in Moskau ist zweifellos einer der dunkelsten Momente in der modernen russischen Geschichte. Wieso traut sich Putin das? Über die Verbündeten am Balkan schrieb ich kürzlich – Zeit sich China zu widmen, das spielt nämlich gerade offen mit dem Feuer.
US-Präsident Joe Biden und der chinesische Staatschef Xi Jinping haben 2 Stunden telefoniert. Man wolle die „Kommunikationskanäle offen zu halten“ und den „Wettbewerb zwischen den beiden Ländern und den russischen Angriffskrieg in der Ukraine“ besprechen, teilte das Weiße Haus im Vorfeld mit. Doch es geht um mehr, viel mehr als das. Für China ist Russlands brutaler Überfall auf Ukraine alles andere als „angenehm“. China ist der größte Handelspartner sowohl Russlands als auch der Ukraine und der größte Importeur von Öl & Gas in der Welt. „Ein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist nicht gut für China“, schrieb denn auch der chinesische Botschafter in den USA, Qin Gang in einem Gastkommentar in der „Washington Post“: „Wenn China von dieser unmittelbar bevorstehenden Krise (sic!) gewusst hätte, hätten wir unser Bestes versucht, sie zu verhindern.“ Ich bezweifle stark, dass Chinas Führung von Putins Plänen NICHTS gewusst hat – man hat nur die globalen (negativen) Konsequenzen unterschätzt.
Aus welchem Grund auch immer: Tatsache ist, dass China diesen Krieg augenscheinlich nicht gutheißt – man betrachte die angestrengten wie bislang vergeblichen Versuche, auf einem Neutralitätskurs zu lavieren. Im Nachhinein gesehen war es aus Sicht des chinesischen Präsidenten auf jeden Fall ein Fehler, sich bei dem Olympischen Treffen mit seinem russischen Gegenüber derart demonstrativ auf die Seite Putins zu stellen. Zwar teilen beide Länder eine Aversion gegen Freiheit, Demokratie und westliche Lebensweise sowie die Agenda, ein Gegengewicht zu den USA zu bilden, doch schadet dieser Krieg China definitiv: Das wichtigste Ziel Chinas ist Stabilität, die Macht der kommunistischen Partei gründet auf dem Versprechen wirtschaftlicher Prosperität. Doch ausgerechnet jetzt steckt das Riesenreich inmitten einer gewaltigen Immobilienkrise. Das Wachstum hat sich zuletzt spürbar abgeschwächt. Und jetzt zeichnet sich immer deutlicher ab, dass die Machthaber die Kontrolle über die Corona-Pandemie verlieren. Die hochansteckende Omikron-Variante entzieht sich der drakonischen Null-Covid-Strategie der Regierung. Der chinesische Impfstoff ist so gut wie unwirksam gegen Omikron. Riesige Metropolen wie Shenzhen und Shanghai sind im Lockdown, Lieferketten reißen erneut ab.
Dass nun die Schockwellen des Krieges auch China erreichen, kann also nicht im Sinne der dortigen Machthaber sein. So stocken bereits Chinas russische Kohle-Importe aufgrund der Swift-Sanktionen der westlichen Staaten gegen russische Banken. Die USA haben China außerdem „erhebliche Konsequenzen“ angedroht, sollte es Russland militärische oder andere Hilfe leisten, die gegen Sanktionen verstoßen oder Kriegsanstrengungen unterstützen. Eine Nibelungentreue gegenüber Russland würde China also teuer zu stehen kommen, sowohl in finanzieller als auch in diplomatischer Hinsicht. Kurz: China hat nicht viel davon, gemeinsam mit Putin unterzugehen. In wirtschaftlicher und handelspolitischer Hinsicht sind die USA für China ein weitaus wertvollerer Partner als Russland. Aber glaubt China denn, dass Putin untergeht? Das ist hier die Frage und Antwort zugleich.
Wenn die chinesische Führung klug ist, könnte sie zumindest versuchen, aus dem unvermeidbaren Schaden zumindest einen Vorteil zu ziehen. So könnte China es in Betracht ziehen, bei der Beendigung des Krieges eine positive Rolle zu spielen – als Mediator. China hat den Angriffskrieg bisher nicht verurteilt und sich als Mitglied im Weltsicherheitsrat der Stimme enthalten. Auch sonst demonstrierte die chinesische Führung unverändert den Schulterschluss mit ihrem „strategischen Partner“ Russland, kritisiert die USA als Hauptverursacher der „Krise“ und folgt weitgehend dem russischen Narrativ. Doch in der politischen Dynamik, die derzeit herrscht, sollte man nichts ausschließen. Eine weißere Weste hätte China allemal gern. Aber noch lieber hätte es den Untergang der Demokratien und die Durchsetzung ihrer autoritären Ein-Parteien-Politik. Wachsam sein, bleibt deshalb unser Credo in Europa – auch in Bezug auf Chinas Entscheidung.
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