Seit Monaten befindet sich Venezuela in einer umfassenden Staatskrise, die auch von konstanten Machtkämpfen gezeichnet ist. Leidtragend am andauernden, politischen Chaos ist die Bevölkerung. Strom und Wasser werden rationiert, lebensnotwendige Güter wie Nahrungsmittel und Medikamente sind knapp. Das Gesundheits- und Bildungssystem sind zusammengebrochen, während Gewalt und Kriminalität explodieren. Über vier Millionen Venezolaner*innen haben laut UNHCR aufgrund der Krise bereits ihre Heimat verlassen. Neben der Coronakrise befindet sich Venezuela schon seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise: Durch jahrelange Misswirtschaft unter dem Chávez nachgefolgten Präsidenten Nicolás Maduro und die fallenden Erdölpreise, wurde die Situation immer prekärer. Durch die Hyperinflation können sich viele keine Nahrungsmittel leisten und müssen deshalb von Essensresten der Restaurants leben, die nun aber zugesperrt sind. Andere leben von einem Tag auf den Nächsten und verdienen gerade einmal genug, um sich für den gleichen Tag Essen zu kaufen. In einem Land, in dem sich Menschen selbst Medikamente ins Spital mitnehmen müssen, um von den Ärzt*innen behandelt zu werden, und in dem ein Drittel der Bevölkerung nicht genug zu Essen hat, ist das Coronavirus besonders lebensbedrohlich. Vor Kurzem verlautbarte die Regierung, dass Venezuela Spitzenreiter bei Testungen pro Einwohner*in sei. Über 6.000 Tests pro Million Einwohner*innen seien durchgeführt worden. Das wäre eine höhere Testzahl pro Kopf als beispielsweise Frankreich oder Großbritannien und vier Mal mehr Tests pro Kopf als Kuba. Wie das möglich ist, bleibt offen. Fakt ist: Immer wieder gibt es Berichte über festgenommene Ärzt*innen und Journalist*innen, die Coronafälle zum Thema machten.

Venezuela ist schon vor der Krise zum Politikum geworden: US-Präsident Trump hat Anfang April ein Kopfgeld auf Venezuelas Präsidneten Maduro aufgesetzt. 15 Mio. Dollar gibt es für Informationen, die zu Maduros Festnahme führen. Offizieller Grund dafür sei der Drogenhandel über Venezuela in die USA. Unter Maduros Vorgänger Hugo Chávez förderte Venezuela wesentlich mehr Erdöl, mit dem auch die USA versorgt wurden. Auch das könnte eine mögliche Motivation für das große außenpolitische Interesse der USA in Venezuela sein. Zusätzlich spielt die Wirtschaftskrise in Venezuela Donald Trump in die Hände. Sie bestärkt das Narrativ der Republikaner, dass sozialpolitische, staatliche Intervention zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch führe. In seinen Reden zur Lage der Nation im Kampf gegen die Coronakrise rechtfertigt Trump seine Tatenlosigkeit immer wieder mit rhetorischen Vergleichen zu Venezuela.

Auch Kolumbien ist von der Lage in Venezuela stark betroffen. Fast zwei Millionen Menschen sind seit 2015 aus Venezuela alleine in die Länder Kolumbien, Peru und Chile geflohen. Es handelt sich dabei um die größte Flüchtlingskrise in der Geschichte Südamerikas. Viele in Kolumbien lebende Venezolaner sind auch dort von Armut betroffen und nicht versichert. Menschen, die bisher in prekären Verhältnissen gewohnt und wöchentlich Miete bezahlt haben, wurden nun vor die Tür gesetzt. Ohne Perspektiven in Kolumbien auf Grund der Coronakrise kehren einige Venezolaner zurück in ihre alte Heimat zu Familienmitgliedern, wo sie wenigstens keine Miete zahlen müssen und ein Dach über dem Kopf haben.

Im November 2019 rief die UNO zur Finanzierung eines 1.35 Mrd. Dollar schweren regionalen Aktionsplanes auf, der die grundlegende Versorgung der Geflüchteten sicherstellen und die aufnehmenden Länder unterstützen sollte. Erst drei Prozent des Finanzierungsbedarfs wurden bisher gedeckt. Im Februar hat sich Österreich entschieden, 2 Mio. Euro Humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen, die zur Hälfte an das Internationale Rote Kreuz und zur anderen Hälfte an die UNHCR geht. Angesichts der Lage muss aber auch Österreich dem Aufruf der Vereinten Nationen stärker nachkommen und sich an der Finanzierung der Hilfe vor Ort beteiligen. Gerade jetzt müssen humanitäre Krisen schnell gelindert werden. Nur so können passende Bedingungen geschaffen werden, um die Ausbreitung der Coronapandemie in den Griff zu bekommen. Wir werden jedenfalls nicht wegsehen, sondern fordern die Weltgemeinschaft auf, gerade aufgrund der komplexen Lage genau hinzuschauen und notwendige Hilfe zu leisten!