Die Würde eines jeden ist unantastbar oder heute ist Tag der Menschenrechte und ich befinde mich an einem Ort, an dem den Menschen von ihren Rechten wenig geblieben ist. Selbst das Recht auf Leben ist durch den russischen Eroberungskrieg in höchster Gefahr.

Auf unserer Reise in der Ukraine treffen wir ausschließlich Personen, die gerade alles geben, um nicht alles zu verlieren. In Kyiv treffen wir den Stellv. Parlamentspräsidenten Oleksandr Kornijenko, der sich für den außerordentlich großen Beitrag Österreichs zur humanitären Hilfe bedankt und betont, wie wichtig solch ein direkter Austausch ist. Danach diskutieren wir mit der Stellv. Ministerpräsidentin Olha Stefanishyna, die unter anderem für den EU-Beitritt der Ukraine zuständig ist, was es braucht, damit das Land eine Perspektive im friedlichen Europa hat. Reformen im Bereich Unabhängigkeit der Justiz und Medienfreiheit sollen so noch im Jänner umgesetzt werden.

In Charkiw in der der Ostukraine nur 40 km von der russischen Grenze entfernt, treffen wir den Bürgermeister Ihor Terekhov und den Gouverneur der Region. Die Stadt wird seit Beginn des Krieges massiv beschossen, Zwei Drittel der Bevölkerung sind geflohen, hunderte Zivilist:innen gestorben. Doch trotz heftigster Angriffe und versuchter Umzingelung konnte der Oblast glücklicherweise kürzlich befreit werden. Frei ist man hier noch immer nicht, aber bereit für die Freiheit zu kämpfen – schließlich ist es unsere Heimat, sagen die Menschen aus vollster Überzeugung. Was jetzt in den bisher von der russischen Armee besetzten Gebieten dokumentiert wird, ist der blanke Horror. Russland begeht die grausamsten Menschenrechtsverletzungen in Form von Kriegsverbrechen. Wenn man die Berichte von den Folterungen, Vergewaltigungen und Ermordungen an den Tatorten hört, dann zweifelt man an internationalen Menschenrechtsschutzmechanismen und an der Menschheit selbst.

Der Tag der Menschenrechte der sich dieses Jahr zum 74. Mal jährt, geht zurück auf die am 10. Dezember 1948 verkündete „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“. Diese war eine Antwort auf die beiden Weltkriege und insbesondere auf die Gräuel der Nazi-Diktatur. Formuliert wurde das Ziel von gleichen Rechten für alle Menschen. Es war klar, dass die Durchsetzung ein langer und schwieriger Weg wird. Was aber nun 74 Jahre nach der Verkündung immer deutlicher wird, ist die Tatsache, dass sich die Menschenrechte nicht nach und nach überall durchsetzen und auf höchstem Niveau bestehen bleiben, sondern dass sie immer und überall verteidigt werden müssen. Deshalb müssen wir sie stets hochhalten und zum Kompass unseres politischen Engagements machen.

Die heftigsten Beispiele der Negierung von Menschenrechten sind Kriege bzw. bewaffnete Auseinandersetzungen wie sie gegenwärtig nicht nur in der Ukraine sondern auch in Nordostsyrien durch die türkische militärische Aggression gegen die Kurd:innen geführt werden. Darüber hinaus sind es Diktaturen wie die der Taliban in Afghanistan oder auch der Mullahs im Iran, mit der tödlichen Gewalt gegen friedliche Demonstrationen der Demokratiebewegung. Aber auch in der EU werden immer wieder rechtsstaatliche Mechanismen, die Freiheit der Medien, die Rechte von Minderheiten oder das Recht auf Asyl in Frage gestellt. So müssen selbst Menschen denen die Flucht aus einem Kriegsland gelungen ist, an den Europäischen Grenzen massive Menschenrechtsverletzungen befürchten. Nachdem jetzt bekannt wurde, dass es an EU-Außengrenzen sogar geheime Gefängnisse für Schutzsuchende geben soll, weiß ich bereits, wohin mich meine nächste Reise führen wird. Am heutigen Tag der Menschenrechte wünsche ich uns allen mit ein paar Eindrücken aus jenem Land, das gerade unbeirrt um Menschenwürde kämpft, viel Kraft bei der kontinuierlichen Verteidigung der Basis unseres Zusammenlebens: des Humanismus.