Nach dem jüngsten militärischen Schlagabtausch zwischen den USA und dem Iran schrammten die beiden Länder nur haarscharf an einer Eskalation der Gewalt vorbei. Hätten die Raketen, die der Iran in einer Reaktion auf die von Trump befohlene Tötung des Quds-Brigaden Kommandeur Soleimani auf einen Militärstützpunkt im Irak abfeuerte, zu amerikanischen Opfern geführt, wer weiß, wo die Welt heute stehen würde.

Die Verbrechen Soleimanis sind scharf zu verurteilen. Der völkerrechtswidrige Tötungsauftrag bringt den Frieden jedoch nicht näher. Er gießt Öl in einen brandgefährlichen Konflikt und diskreditiert darüber hinaus internationales Recht. Ungeachtet dessen war die Trumpsche Impulshandlung für die iranische Führung ein Propagandageschenk ersten Ranges: Die Aggression des Aussenfeinds Nr. 1 bot dem Regime eine wunderbare Gelegenheit, die nationale Einheit zu beschwören und medial zur Schau zu stellen. Bis zur iranischen Parlamentswahl am 21. Februar hätte das iranische Regime diese Angelegenheit dankbar ausgekostet. ExpertInnen rechneten mit einer Wahlbeteiligung von nur 20%, die vor allem den Hardlinern zugutekommen würde. Nun machte der tragische Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine durch die iranische Luftabwehr diesem Plan einen Strich durch die Rechnung. Das tagelange Leugnen und das späte Schuldeingeständnis der nervösen Führung, führt derzeit zu Massenprotesten der iranischen Bevölkerung, die sich ihrem Zorn auf der Straße Luft macht. Das bemerkenswerte an diesen Protesten ist der breite Schulterschluss. Waren die Beteiligten der bisherigen Proteste hauptsächlich aus der Arbeiterschicht hervorgegangen, beteiligt sich nun auch die Mittelschicht an den Protesten: „Arbeiter! Studenten! Wir sind eine Einheit!“ ist auf den Straßen Teherans zu hören. Die Entwicklungen befeuern den generellen Unmut der Bevölkerung mit den Lebensbedingungen im Iran sowie dem gesamten System der Islamischen Republik.

Wir Grüne erklären uns mit allen Menschen, die für mehr Freiheit und Demokratie kämpfen, ausdrücklich solidarisch. Für uns haben Menschen- und Freiheitsrechte eine universale Gültigkeit. In unserem Verständnis hat jeder Mensch auf der Welt das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Die brutale Gewalt der iranischen Milizen gegen die Demonstrierenden muss sofort gestoppt werden.

Wie geht es weiter? Auch wenn sich die Aufmerksamkeit des Regimes in Iran vorerst nach innen richtet, so bleibt der eigentliche Grund für die jüngste Zuspitzung des Konflikts bestehen und kann jederzeit wieder aufleben. Mit jeder Eskalation wird der Raum für Konsens kleiner. Mit dem aktuellen außenpolitischen Gebaren sorgen sowohl die Führung der USA wie des Iran dafür, dass die Hardliner auf beiden Seiten Oberwasser bekommen. Seit die USA im Mai 2018 einseitig aus dem mühsam ausverhandelten Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen sind, zeigt der Iran immer weniger Bereitschaft, an dem Abkommen festzuhalten. Ein endgültiges Scheitern des Atom-Deals würde die Welt aber zu einem äußerst unsichereren Ort machen. Es würde einen Dialog über ein etwaiges Abkommen über lange Zeit erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Hinzu kommt: Wenn der Iran tatsächlich eine Atombombe in Händen hält, werden seine örtlichen Konkurrenten wie die Türkei oder Saudi-Arabien nicht zögern, sich auch dieser Waffe bemächtigen zu wollen. Aus dieser Perspektive ist die Ankündigung einer europäischen Initiative zur Rettung des Gesprächsklimas zwischen dem Iran und den USA, wie sie Außenminister Schallenberg angeregt hat, natürlich zu begrüßen.

Die Grüne Vision zur bestehenden Situation ist die einer EU als starke Vermittlerin mit friedlicher Lösung als höchstem Ziel. Daher ist es wichtig, gekoppelt an das Atomabkommen ein Abkommen zur Etablierung von Grund- und Freiheitsrechten für den Iran zu verhandeln. Wirtschaftspolitische Interessen müssen an die Einhaltung der Menschenrechte gekoppelt werden. Gerade in dieser Phase testosterongesteuerter Weltpolitik ist es wichtig, dass sich die EU für eine friedliche Lösung einsetzt. Es geht jetzt darum, alle Player zurück an den Verhandlungstisch zu bekommen, der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen muss zu dieser Angelegenheit öfter einberufen werden. Denn: Es geht um nichts geringeres als den Weltfrieden.