Chinas Drohungen werden deutlicher oder Taiwan fürchtet im Windschatten des Russland-Krieges einen Angriff. Ich habe die Taiwanesische Vertretung in Österreich zum Austausch zu den aktuellen Gefahren und Entwicklungen getroffen. Zeit für ein Über Den Tellerrand

Wir müssen gerade in der gegenwärtigen Zeit der Krisen auf internationaler Ebene danach trachten, Spannungen abzubauen und negative Dynamiken, deren Konsequenzen nicht absehbar sind, zu entschärfen. Der Besuch der Fraktionsführerin des US-Repräsentantenhauses Pelosi kürzlich in Taiwan sollte zu keinen militärischen Eskalationen führen, wurde von China jedoch trotzdem als handfeste Provokation ausgelegt. Es muss möglich sein, mit demokratisch gewählten Politker:innen in Taiwan einen Austausch zu haben. China hatte jedoch bereits im Vorfeld mit Drohgebärden harsch auf den Besuch reagiert, begann während des Besuches Militärübungen rund um die Insel, und verhängte umfassende neue Einfuhrverbote auf über 2000 taiwanesische Produkte. Die USA koordinierten zeitgleich zu dem Besuch auch ein G7-Statement zur Stabilität in der Straße von Taiwan. Fakt ist: Ohne USA als Schutzmacht, könnte Taiwan nicht bestehen. Der Besuch Pelosis war so gesehen auch eine Bestätigung US-amerikanischer Absichten, Taiwan im Falle einer Aggression Chinas militärisch zu verteidigen. In einem Telefonat zwischen den Präsidenten Biden-Xi hatte Xi Jinping eindringlich davor gewarnt, „mit dem Feuer zu spielen“. Taiwan sei eine „interne Angelegenheit Chinas“ und auch die USA müssten dem „Ein-China Prinzip“ Folge leisten.

Worum geht es China bei der Taiwan-Frage denn überhaupt? Aus Sicht Pekings gehört Taiwan zu China. Folglich erkennt es Taiwan nicht als souveränen Staat (Taiwan selbst sieht sich als unabhängig) an. Die Wiedervereinigung mit Taiwan gehört zu den strategischen Zielen Chinas bis 2049. Taiwan liegt nur 180 km von der chinesischen Küste entfernt. Der Druck auf Taiwan wird von China aktuell zunehmend erhöht – auf multilateraler, wirtschaftlicher und militärischer Ebene. Klar ist: Peking strebt nach einer neuen multipolaren Weltordnung mit China im Zentrum. In Ostasien und im Indopazifik sieht es sich dabei als zentrale Macht und steht damit in direkter Konkurrenz zu den USA. Die Rolle Taiwans ist dabei entscheidend: Die wirtschaftliche Vernetzung zwischen China und Taiwan ist sehr hoch (rd. US-$ 200 Mrd. Taiwan-Investments in China). Für Taiwan-Unternehmen ist der Zugang zum chinesischen Markt enorm wichtig. Umgekehrt befindet sich in Taiwan der größte Chipproduzent weltweit. Von der Chipindustrie in Taiwan ist wiederum China stark abhängig.

Was bedeutet das für uns? Die Anzahl von Ländern, die mit Taiwan diplomatische Beziehungen unterhalten – und dafür keine mit China – nimmt kontinuierlich ab. Derzeit sind es nur mehr 14 und China bemüht sich, mit politischem Druck und „Scheckbuchdiplomatie“ auch diese verbliebenen Länder zur alleinigen Anerkennung der Volksrepublik zu drängen. Bereits 1971 verlor Taiwan seinen Sitz bei den Vereinten Nationen an China. Die EU bleibt ihrer Ein-China-Politik verpflichtet. Im Rahmen dieser Politik erkennt die EU die Regierung der Volksrepublik China als die alleinige Regierung Chinas an. Gleichzeitig haben die EU und ihre Mitgliedstaaten ein Interesse am Ausbau der bilateralen Beziehungen und der Zusammenarbeit mit Taiwan – einem wirtschaftlichen und gleichgesinnten Partner in der Region. Jedenfalls gibt es ein Interesse daran, den Frieden und den Status quo zu bewahren.

Und Österreich? Es gibt eine „pragmatische Zusammenarbeit“ von uns mit Taiwan im wirtschaftlichen, kulturellen, wissenschaftlichen, konsularischen und „people-to-people“-Bereich, die sehr gut funktioniert und Basis für freundschaftliche Beziehungen ist. Österreich ist in Taiwan durch das Österreich-Büro Taipei (ÖTB) vertreten, Taiwan in Österreich durch das Taipei Wirtschafts- und Kulturbüro Wien. Etwa 70 Staaten sind in Taiwan mit vergleichbaren Büros vertreten. Ich selbst bin im regen Austausch mit der Vertretung in Wien. Abseits der Gespräche zur Bedrohungslage durch China ist diese bemüht, einen adäquaten Status im Rahmen internationaler Organisationen zu erhalten, z.B. durch Erlangung eines Beobachterstatus bei der Weltgesundheitsversammlung (WHA). Eine Mitgliedschaft gibt es bereits bei der WTO, bei der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation APEC, beim IOC & bei der Asiatischen Entwicklungsbank. Aber: China duldet keinerlei Status, der den Anschein der Selbständigkeit Taiwans erwecken könnte. Dass es jetzt wieder lautes Säbelrasseln Richtung Taiwan gibt, könnte auch aktuelle Gründe haben: Beim 20. Parteitag der Kommunistischen Partei nächste Woche will sich Xi Jinping für weitere fünf Jahre als Generalsekretär bestätigen lassen. So viel Macht-Konzentration gab es in der chinesischen Führung seit Mao nicht. Aber dazu nächste Woche mehr.