Auf Fact Finding Mission an der serbisch-ungarischen Grenze
Auf Fact Finding Mission an der serbisch-ungarischen Grenze oder die Berichte über massive Gewalt und systematische Pushbacks an unseren EU-Außengrenzen mehren sich. Statt Registrierung und Überprüfung der Fälle scheint sich immer mehr Willkür im Umgang mit den Flüchtenden durchzusetzen. Ärzte ohne Grenzen u.a. erzählen davon, dass sich die „systematische Gewalt in die Körper einschreibt“ und das, was ich gesehen habe, bestätigt die Berichte: Die Flüchtlinge warten hier, mit blauen Flecken übersät, in der Kälte im Niemandsland auf teure Schlepper, weil es null Möglichkeiten gibt, Asyl zu beantragen oder sonst wie an Informationen zu kommen, wie sie legal die Grenze überqueren könnten, damit dann mal überhaupt überprüft werden kann, ob sie ein Anrecht auf Asyl hätten.
Aktuell hat der EuGH festgestellt, dass Ungarn mit seinen Asylregeln gegen EU-Recht verstößt. Serbien selbst wäscht seine Hände in Unschuld und behauptet, es sei lediglich Transitland, während es gleichzeitig Visafreiheit für Länder wie Indien, Burundi oder Ägypten eingeführt hat und nun von dort vermehrt Menschen hierher einreisen. Die EU ist hier leider weiter ratlos und schiebt viel Geld für Lager rüber, um die Menschen damit abzuhalten in die EU zu kommen. Ein politischer Teufelskreis – gestützt durch Polizei, Schlepper, Militär und paramilitärische Bürgerwehren.
Ich spreche lange mit den Eltern dreier Kinder, welche sie vor ein paar Tagen beim Überqueren des Grenzzaunes verloren haben – niemand hilft ihnen, diese zu finden, sie können nicht einfach zur Polizei oder zu den Grenzbeamten oder zu ihren Kindern über die Grenze. Sie sind Hazara aus Afghanistan – eine Minderheit, die gerade jetzt vor Verfolgung flieht und Anrecht auf Schutz hätte. Wir überlegen, wie wir ihnen helfen könnten und stoßen dabei selbst an Grenzen: Das Lager in der nächsten Stadt nimmt keine Menschen mehr auf, es ist überfüllt und Formulare interessieren hier sowieso niemanden. An der serbischen Grenze 1,5 km weiter würden wir womöglich mit ihnen durchfahren können, damit jedoch Schengenraum betreten und uns mit dieser Aktion strafbar machen. Kurz gefasst: Wenn ich diese Eltern zur ungarischen Grenze bringen würde, weil es die nächste Möglichkeit ist, einen Asylantrag zu stellen (oder auch nicht, weil Ungarn ja das Asylrecht ausgesetzt hat) und um ihre Kinder zu suchen, würde ich selbst zur Schlepperin werden: Beihilfe zur illegalen Einreise in den Schengenraum könnte mir dann vorgeworfen werden. Also lasse ich die beiden Hazara am Ende in der kalten Wiese sitzen und nehme aus dem Gespräch etwas mit, was alle wissen sollten: Das Asylsystem an unseren EU-Grenzen ist tot. Es gibt keine andere Möglichkeit als illegal einzureisen. Wir produzieren durch diese Zustände am laufenden Band unsägliches Leid, Gewalt, Verzweiflung und nebenher zahlreiche unbegleitete Minderjährige, weil die Familien auf der Flucht oft getrennt werden.
Ich wollte mir bei dieser Reise ein genaueres Bild von der Situation vor Ort machen und mir auch die Rolle der internationalen Patrouille unter Beteiligung Österreichs genauer ansehen. Durch Gespräche mit Betroffenen und jenen, die sie finden bzw. als NGOs aufsuchen oder Ärzt:innen, die sie medizinisch versorgen und durch Kontakt mit der Zivilgesellschaft, die auf Seiten der Menschenrechte bzw. der Rechtsstaatlichkeit steht, in Erfahrung bringen, was zu tun wäre. Mein Ziel: Ansatzpunkte für Lösungen suchen, damit ich diese wiederum in den politischen bzw. parlamentarischen Diskurs einbringen kann.
Danke an Pero von SOS Balkanroute, Milica und Vuk von KlickAktiv, Markus, Nico und Shahbaz von Ärzt:innen ohne Grenzen / Médecins Sans Frontières / MSF und Medical Volunteers International e.V. & MedicalAid für die Unterstützung und Einblicke. Am wenigsten hilfreich auf der „Mission“ waren am Ende leider die offiziellen Stellen: Der Leiter des Lagers bei Subotica wollte mir weder Auskunft geben, noch habe ich auf meine offizielle Anfrage, die Lager zu besichtigen, jemals eine Antwort aus Belgrad bekommen. Ich konnte mir trotzdem ein Bild innerhalb eines solchen Camps machen – auf der Suche nach jemand Verantwortlichem. Die Zustände da entsprechen keinesfalls einer menschenwürdigen Unterkunft. Mit wem ich auch sprechen konnte, war die serbische Polizei. Die hat sich gewundert, dass sich wer „aus dem Ausland“ für die Flüchtlinge interessiert. Nun, ich tue es weiterhin in der Überzeugung, dass man Menschen ohne Stimme eine leihen muss und dass Menschenrechte nicht bloß Lippenbekenntnise sein dürfen. Dass man sichtbar machen muss, was passiert und was passieren sollte. Somit war es mit Sicherheit nicht meine letzte Reise an einen Hot Spot an der EU-Außengrenze.
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