Ewa Ernst-Dziedzic auf Auslandsreise in Turkmenistan im Rahmen der parlamentarischen Freundschaftsgruppe.

Als Vorsitzende der Parlamentarischen Freundschaftsgruppe Zentralasien wagte ich mich als erste in dieser Funktion in das unbekannte Land in einer geografisch und politisch schwierigen Region. Turkmenistan hat ein aktives Parlament und Wahlen, wird jedoch seit vielen Generationen totalitär regiert. Es liegt zu 95 Prozent in Wüstengebieten, grenzt im Süden an Iran und Afghanistan und im Norden an Usbekistan. Das Land am Kaspischen Meer ist seit dem Zusammenbruch der UdSSR 1991 unabhängig und distanziert sich bewusst vom russischen Einfluss. Es ist politisch und militärisch neutral und seit Kurzem Mitglied der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa).

Nach Angaben der Weltbank ist Turkmenistan eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder der Welt. Das kontinentale Klima macht es trocken, mit frostigen Wintern und extrem heißen Sommern. Turkmenistan ist der viertgrößte Erdgasproduzent der Welt. Das bringt einerseits zwar Wohlstand, verschärft aber andererseits die Klimafrage enorm. Umso mehr setzt das Land neuerdings auf Kooperation mit Europa, vor allem in Bezug auf Transformation hin zur erneuerbaren Energien. Über all dies konnte ich mit der Vize-Präsidentin des turkmenischen Parlaments, Dunyagozel Gulmanova, sprechen.

Mit der stellvertretenden Außenministerin, Mahri Bashimova, war die Debatte dreifach anregend: Wir sprachen nicht nur in drei Sprachen (Deutsch, Russisch, Englisch), sondern vertieften uns in die jeweilige Situation im Iran, Afghanistan und Ukraine, wo Turkmenistan eine Vermittlerrolle einnehmen will und vor allem auf humanitäre Hilfe setzt. Wichtig ist der Vize-Außenministerin auch der Bildungsbereich, in dem sie gerne auf mehr Kooperation mit Europa setzten will. Ein Goethe-Institut in der Hauptstadt Ashgabat beispielsweise sei ihr Traum, erzählt sie im Hinblick auf die erwünschte Öffnung des Landes.

Einzigartig war auch das Treffen mit der Vorsitzenden der turkmenischen Frauengewerkschaft, Akjemal Durdyyeva. Die Situation der Frauen im Land ist durchwachsen: noch immer sehr stark in traditionellen Rollen verhaftet, werden sie vom Staat finanziell unterstützt und von der Gesellschaft geachtet. In der Hauptstadt dürfen aber nicht nur ausnahmslos weißlackierte Autos fahren, sondern Frauen erst gar nicht. Oft werden sie ausschließlich als Mütter wahrgenommen, Scheidung oder alternative Lebensformen sind weiterhin tabu. Doch gerade am Frauentag vor Ort zu sein, ist besonders, denn alle weiblichen Angestellten und Arbeiterinnen haben frei und an jeder Ecke der Stadt gibt’s für sie Aufmerksamkeiten.

Ich bedanke mich für anregende Gespräche und die Betreuung vor Ort bei Kerimguly Geldiyev, dem Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses. Ich freute mich über das Treffen mit meinem Amtskollegen und Pendant als Vorsitzenden der bilateralen Gruppe Eshayev Yusuguly und seiner Vertretung. Gemeinsam haben wir die Lage in der Welt und die Möglichkeit einer weiteren Zusammenarbeit zwischen Europa und Zentralasien besprochen. Bei der kommenden IPU-Konferenz in Genf, wo Vertreter:innen bis zu 200 Parlamenten zusammen kommen, wollen wir unser Gespräch vertiefen. Wenn wir nicht wissen, was in der Welt passiert, bestimmt unser außenpolitisches Handeln das Nicht-Wissen. In diesem Sinne: Es war sehr lehrreich!