Über den Tellerrand – USA II
Nächsten Dienstag ist Wahltag. Doch nicht jede*r US-Amerikaner*in ist automatisch wahlberechtigt – man muss sich zum Wählen anmelden (außer man lebt in North Dakota). Doch selbst wenn man sich zur Wahl angemeldet hat, bedeutet das nicht, dass man auch zum Wählen kommt, denn es gibt viele Formen des sogenannten „Voter Disenfranchisement“, d.h. „Wähler*innen-Entrechtung“.
Ein Beispiel dafür ist der Entzug des Wahlrechts für Straffällige und Verurteilte. Hierbei unterscheiden sich die USA stark von Österreich, da es bei uns hier enge Kriterien gibt und das Recht nach Absitzen der Strafe wiederhergestellt wird. In den Vereinigten Staaten jedoch kann (je nach Staat) jedes Verbrechen dazu führen, dass man bis auf unbestimmte Zeit von der Wahl ausgeschlossen wird – in Florida beispielsweise waren dadurch noch Anfang des Jahres 1,6 Millionen Einwohner*innen von der Wahl aufgrund vergangener Straftaten ausgeschlossen (das sind 10% der Wahlberechtigten, v.a. Afro-Amerikaner*innen).
Eine weitere Form für Wahlrechtsentzug ist die Löschung von Wähler*innen-Registern. Hier wird aus den verschiedensten Gründen den Wähler*innen vom Staat, in dem sie zur Zeit der Registrierung lebten – beispielsweise weil sie einmal in einer Wahl ihr Recht nicht genutzt hatten – ihre Registrierung entzogen. So können sie am Wahltag nicht wählen. Hunderttausende Wähler*innen werden so laut der American Bar Association jährlich aus dem Register gelöscht.
Eine der offensivsten Möglichkeiten, um das Wählen fast unmöglich zu machen, ist es, die Anzahl der Wahllokale zu verringern. Diese Strategie sorgte zuletzt 2018 in Georgia für große Furore, da hier der republikanische Kandidat (der zufälligerweise auch Chef der Wahlkommission war) die Anzahl der Wahllokale in afro-amerikanischen oder hispanischen Nachbarschaften stark reduziert hatte und die wenigen, die danach noch existierten, mit fehlerhaften Maschinen bestückt hatte. Auch bei der aktuellen Präsidentschaftswahl gibt es bereits etliche Fälle, wo von Verhinderung die Rede ist. Zusätzlich dazu hat der von Trump ernannte Postmeister Louis Dejoy in den Monaten vor der Wahl das Postamt in den USA reformiert. Dadurch wurde die Effizienz der Post so drastisch beeinträchtigt, dass die Stimmen einiger Wähler*innen wahrscheinlich erst nach Ende der Frist eintreffen werden. Tricky: Die Berufung von Amy Coney Barrett hat die konservative Mehrheit im Obersten Gericht des Landes zementiert und der Supreme Court könnte das letzte Wort in möglichen Gerichtsverfahren um die Auszählung der Stimmen bei der Wahl am 3. November haben.
Der Vorwurf, der im Raum steht: All diese Strategien werden derzeit von den Republikanern genutzt, um die Anzahl der abgegebenen Stimmen zu reduzieren. Erfahrungsgemäß führt eine höhere Wahlbeteiligung meist zu mehr demokratischen Stimmen. Währenddessen fahren die Demokraten eine riesige Informations-Offensive auf, um möglichst viele Wähler*innen vor den Deadlines registrieren zu können. Hier kommen vor allem bekannte Gesichter ins Spiel. Wie etwa der ehemalige Präsident Barack Obama mit einer Rede zum Aufruf zu einer #Wahlrechtsreform oder Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die mit ihrer Kollegin Ilhan Omar einen Zocker-Livestream startete, um vor allem junge Bürger*innen zum Wählen zu animieren. Alles in allem: Das Wahlrecht ist ein Recht, die Zulassung zum Wählen ein Hürdenlauf. Viele äußern deshalb eine berechtigte Furcht um die Demokratie. Es fehlt die Debatte, der Kompromiss und die Fähigkeit, bei allen Gegensätzen immer wieder Konsens herzustellen. Es geht ein tiefer Spalt durch die Gesellschaft – das letzte, was die USA jetzt braucht!
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