Wieso ich erneut auf der Afghanistan-Demo war, die Türkisen nie meine Freunde werden und der Austritt von Birgit Hebein bitter ist.

Die Situationen in Afghanistan ist brutal: Beim UNO-Menschenrechtsrat wurden erschreckende Berichte über Massenhinrichtungen von Zivilist*innen sowie Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte thematisiert. Frauen verstecken sich in Kellern, einige begehen aus Angst Selbstmord, am Flughafen herrscht Chaos, viele versuchen verzweifelt durch oder auf eine Liste und solange es noch geht, in ein Flugzeug zu kommen. Tote, Schüsse, Babys von fremden Soldaten getragen, verzweifelte Nachrichten von allen Seiten, ob wir etwas tun können. Man versucht alles und fühlt sich doch machtlos – ein Gefühl, das meine letzten Tage prägte. Die EU und Großbritannien halten eine Rettung der Schutzbedürftigen bis Ende August angesichts der chaotischen Zustände für nicht machbar, aber ohne die US-Militärpräsenz in Kabul müssten auch die anderen westlichen Staaten ihre Evakuierungen einstellen. Es bleiben also ein paar Tage. Die müssen wir nutzen.

Das ist der Kontext in dem diskutiert wird, ob das, was wir tun, genug ist – genug um dem türkisen Framing, das größtenteils unseriös, weil realitätsfremd und obendrein menschenverachtend ist, etwas entgegen zu setzen. Ehrlich, es gibt im Moment wichtigeres. Mein Ringen um rote Linien innerhalb der Koalition ist ein stetiges und kennt viele Beispiele. Die Zeit der Nachbetrachtung kommt bestimmt. Jetzt geht es darum, Menschenleben zu retten, politischen Druck zu machen, die Zivilgesellschaft zu unterstützen, dagegen zu halten. Deshalb ist es für mich kein Widerspruch, auf einer Demo sichtbar und Teil einer Regierungspartei zu sein. Die politische Wirksamkeit bleibt mein Gradmesser, nicht meine Aversion gegenüber rechtspopulistischer Verkürzung der Debatte. Aber ja: Diese absolute Ablehnung der Aufnahme schutzbedürftiger Menschen bedeutet einen Bruch mit der humanistischen Tradition der Zweiten Republik. Die Debatte um Abschiebungen in solch einer Situation ist würdelos. Natürlich musste ich widersprechen, als unser Innenminister über Alternativen zur Menschenrechtskonventionen nachdachte. Natürlich ärgert es mich sehr, dass Menschen in einer humanitären Katastrophe für innenpolitisches Wahlkampfgetöse im Vorfeld der OÖ-Wahl herhalten müssen. Es ist auch untragbar für mich, wie offen und ungeniert in Österreich mittlerweile die Europäische Union angegriffen wird und auf diese gleichzeitig die ganze Verantwortung abgewälzt wird. Ohne selbst Verantwortung (und Menschen) übernehmen zu wollen. Ich warne schon lange davor, dass der Türkise Weg sich an Polen und Ungarn orientiert. Nicht nur in Menschenrechtsfragen und der Abwertung der EU oder bei Angriffen auf die Justiz und bei der Einflussnahme auf Medien und Berichterstattung – gestern wurde bestätigt, dass die ÖVP bei den Wahlkampfkosten nicht die Wahrheit gesagt hat. Eine Obergrenze dient der Fairness, sie soll gerechten Wettbewerb garantieren. Darüber hinaus Millionen mehr ausgeben, heißt das umgehen – wichtig, dass die Klage der Türkisen, dass man das nicht sagen bzw. schreiben darf, abgewiesen wurde.

Birgit wird fehlen. Birgit ist eine aufrechte Antifaschistin mit sozialem Gewissen, eine Frau, von der ich viel gelernt habe. Sie war für die grüne Bewegung von großer Bedeutung und ihre Beweggründe auszutreten, mögen uns Kraft geben, dagegen anzukämpfen, was für sie der Grund dafür war: Eine Diskursverschiebung nach rechts aufzuhalten, hat neben einer radikalen Wende in der Klimapolitik oberste Priorität. Das war von Beginn an auch meine erste, wenn nicht die einzige Motivation nicht in der Opposition zu bleiben. Ob die Übung gelingt, werden wir bewerten müssen. Aber was könnte unserem Koalitionspartner in der Wartezeit auf eine Anklage des Kanzlers „besseres“ passieren, als dass wir jetzt beim „Asylthema“ das Handtuch schmeißen? Ich werde am wenigsten der ÖVP den Gefallen tun, jetzt nachzulassen. Im Gegenteil.