Politischer Hotspot ist die adäquate Beschreibung: Im Schatten des Angriffskriegs auf die Ukraine steht auch Moldau vor einer Zerreißprobe zwischen Ost und West. Mit Maia Sandu wurde zwar eine offen pro-westliche Kandidatin zur Staatspräsidentin gewählt und seit dem Vorjahr ist das drittärmste Land Europas auch offizieller EU-Beitrittskandidat. Doch die Rolle und der Einfluss Russlands dürfen keinesfalls unterschätzt werden. So zog bisher jeder Schritt Richtung Europa eine Retourkutsche nach sich: Die Unterzeichnung eines Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union führte beispielsweise zu einem russischen Embargo landwirtschaftlicher Produkte. Auch die Abhängigkeit vom russischen Gas zwingt Moldau, entschlossen und doch vorsichtig bei seinen Schritten in Richtung Europa zu sein. Zudem führt Moskau mithilfe russlandfreundlicher Oligarchen auch einen hybriden Krieg gegen die kleine Republik. Seit Monaten organisiert die Partei des prorussischen Oligarchen Ilan Sor große Proteste gegen die Regierung. Dabei werden die Teilnehmer:innen bezahlt, um zum Sturz der Regierung aufzurufen. 20 Euro „Demogeld“ für ein paar Stunden Zeitaufwand ist viel in einem Land, in dem der Durchschnittslohn bei umgerechnet 558 Euro im Monat liegt.

Der Oligarch selbst lebt übrigens in Israel. In der Republik Moldau wird er strafrechtlich verfolgt, weil er am Diebstahl von einer Milliarde Dollar aus drei moldawischen Banken beteiligt war. Das höchste Gericht des Landes erklärte die Partei des Oligarchen Ilan Sor für verfassungswidrig und ordnete ihre Auflösung an. Aber man gründet hier dann einfach eine neue Sorte, wie überhaupt Korruption ein großes Thema ist und die Finanzierung von Fake News ein rentables Betätigungsfeld. Diese ganzen Aktionen stehen in einem größeren Zusammenhang: Im Frühjahr waren Dokumente über einen russischen Plan aufgetaucht, bis 2030 in der Moldau eine prorussische Regierung zu installieren. Bereits vergangenes Jahr hatte der ukrainische Geheimdienst vor russischen Umsturzplänen in der Moldau gewarnt. Immer wieder gibt es dubiose Anschläge wie zum Beispiel wie im Vorjahr auf das Ministerium für Staatssicherheit oder zuletzt auf einen Anführer der prorussischen Separatisten in Transnistrien. Russland dreht also auch hier eindeutig & systematisch an der Eskalationsschraube.

Präsidentin Sandu versucht, hier tapfer entgegenzuhalten und treibt angesichts der Bedrohungslage die Anbindung an den Westen stetig voran – realpolitisch, aber auch symbolisch, etwa mit einem neuen Sprachengesetz. In der Verfassung und allen Gesetzestexten darf fortan nur noch von der „rumänischen Sprache“ die Rede sein, weil dies unterstreiche die historische Wahrheit, dass in der Moldau rumänisch gesprochen werde. Wer sich nach Osten orientiert, tritt für die sogenannte „moldauische Sprache“ ein, die anno dazumal von den Sowjets aus Gründen der Abgrenzung als Staatssprache geschaffen wurde. Auch die Tatsache, dass der jüngste Europa-Gipfel, bei dem sich 47 Staats- und Regierungschef:innen einfanden, in der Republik Moldau stattfand, hat einen großen symbolischen Wert.

Auf der realpolitischen Ebene schreitet die Westintegration voran. Seit Juni 2022 hat Moldau EU-Kandidatenstatus, die EU unterstützt das Land bei der Versorgung vor dem Krieg geflüchteter Ukrainer:innen, es wurde eine zivile Mission zwischen der Europäischen Union und der Republik Moldau eingerichtet, mit dem Ziel, die Widerstandsfähigkeit des Sicherheitssektors des Landes zu stärken, d.h. bei Krisenbewältigung und hybriden Bedrohungen helfen, für mehr Cybersicherheit sorgen und Informationsmanipulation zu bekämpfen. Um die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität Moldaus zu stützen, beschloss der Europäische Rat eine Makrofinanzhilfe in Höhe von 150 Mio. €. Es gibt weiters befristete Maßnahmen zur Liberalisierung des Handels, sodass Moldau gewisse landwirtschaftliche Produkte zollfrei in die EU exportieren kann. Es gibt eine Visaliberalisierung, eine Synchronisierung der Stromnetze und es gibt vor allem das bereits erwähnte Assoziierungsabkommen, dass die politische wie wirtschaftliche Integration vorantreibt. Sprich: Hier ist so ziemlich alles in Transformation.

In diesem Kontext sehe ich auch meine jetzige Reise in das Land, bei der wir zahlreiche Kontakte vertiefen können. Wir treffen hier unsere Gegenüber von der Parlamentarischen Freundschaftsgruppe Moldau-Österreich (Leiter Adrian Belîi), den Parlamentspräsident Igor Grosu, die Kommission für Außenpolitik und EU-Integration, selbstverständlich auch die Österreichische Botschafterin Stella Avallone oder Rechtsanwalt Ștefan Gligor, der sich mit der Reform des Justizsektors beschäftigt. Außerdem statten wir der Zentrale der EU-Partnerschaftsmission für die Republik, Moldau (EUPM) und deren Missionschef Cosmin-George Dinescu einen Besuch ab. Die Menschen in der Republik Moldau haben so wie jene in der Ukraine mehrheitlich ihren Willen zum Ausdruck gebracht, Teil der europäischen Familie zu sein. Ich sehe es als unsere Aufgabe an, sie auf diesem Weg zu unterstützen. Viel zu lange mussten all diese Länder und seine Menschen unter dem Joch oder dem Einfluss verschiedenster Diktaturen leben. Es ist Zeit für Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie und Sicherheit.