Von Pussy Riot bis zum Evin Gefängnis oder während Maria Aljochina trotz polizeilicher Überwachung aus Russland entkommen konnte, wurde im Flüchtlingslager Jenin der langjährigen Al-Jazeera Reporterin Shireen Abu Aqleh heute Morgen in den Kopf geschossen. In Wien besuchte ich währenddessen mit Kollegin Berivan Aslan die Ausstellung „From Evin with Love“. Die Kuratorin Mansoureh Shojaee, die einst selbst im berüchtigten Teheraner Foltergefängnis Evin/Iran inhaftiert war, zeigt hier handgefertigte Kunstwerke von Insassinnen, um die Welt aufzurütteln. Von Frauen und Freiheit oder heutiges ÜberDenTellerrand.

Ein Gedicht über Freiheit als Vogel, geschnitzt in Holz, Wolle-Puppen, die von der Nobelpreisträgerin Nasrin Sotoudeh für ihre Kinder in der Zelle angefertigt wurden, über stille Appelle und Strickereien gegen das Verrücktwerden: „All diese Objekte präsentieren den Wunsch nach Leben“ sagt Mansoureh Shojaee, die zu jedem Stück eine eigene Geschichte erzählen kann. Nachdem zahlreiche Aktivistinnen für Frauen, -und Menschenrechte im Iran dasselbe Schicksal ereilte, startete sie den Aufruf, die Evin-Insassinnen sollten ihr Dinge schicken, die sie während ihrer Inhaftierung anfertigten, um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen.

Was wir seit lange, wissen, aber leider oft vergessen wird: Frauen spielen v.a. in autoritären Regimen eine besondere Rolle im Widerstand. Ihr lauter und aufmüpfiger Protest steht dort in besonders auffallendem Widerspruch zu der Rolle, die Ihnen gesellschaftlich und politisch als Frau aufgezwungen wird. Selbstbestimmung und Emanzipation stellen wohl nach wie vor eine Bedrohung dar, der mit extremer Gewalt und Unterdrückung begegnet wird. Viele von ihnen landen in Isolationshaft, sind Repressionen ausgesetzt oder verlassen nach Möglichkeit das Land. Die Journalistin und Frauenrechtsaktivistin Masih Alinejad kämpft mittlerweile aus dem amerikanischen Exil für die Rechte iranischer Frauen. Sie protestiert mit Ihrer 2014 gegründeten friedlichen Protestbewegung mystealthyfreedom gegen den Kopftuchzwang im Iran und hat mit ihrer Social Media Kampagne ins Mark emanzipierter iranischer Frauen getroffen. Zehntausende folgten Alinejads Beispiel und posten bis heute Bilder von sich mit wehendem Haar in der Öffentlichkeit und riskieren dabei ihre Freiheit. In den letzten Jahren kam es im Iran in diesem Zusammenhang zu mehreren Verhaftungswellen von Frauen. Teilweise warten sie nach Jahren im Gefängnis immer noch auf eine Anklage. Teilweise sind sie ohne jedes Lebenszeichen verschollen.

In Afghanistan zeigen besonders junge Mädchen und Frauen Mut, mit der zunehmenden Brutalität und Aggressivität der Taliban gegen sie mitzuhalten. Je stärker sie gesellschaftlich ausgeschlossen werden, umso lauter wird ihr Protest. Besonders für ihr Recht auf Bildung gehen Frauen, Mütter und Lehrerinnen immer wieder unerschrocken auf die Straßen. Nachdem die Taliban die Macht im Sommer 2021 übernommen hatten, schafften sie kurzerhand und in einem Akt von hoher Symbolik das Frauenministerium ab. Ihr Ziel ist es, Frauen gesellschaftlich so gut wie unsichtbar zu machen. Sie werden von jeglicher politischer Teilhabe immer weiter ausgeschlossen. Kurz vor Schulbeginn wurde von den Radikalislamisten bekannt gemacht, dass der Schulbesuch ab der 7. Schulstufe untersagt sei. Hunderte Mädchen standen verzweifelt vor verschlossenen Schultoren. Zuletzt schockierten die Taliban mit der Burkapflicht. Afghaninnen müssen fortan in der Öffentlichkeit ihr Gesicht sowie ihren ganzen Körper verdecken. Ein Eingriff in die Würde und Rechte von Frauen, wenn es nicht freiwillig erfolgt.

Der Protest von Frauen ist auch in anderen Erdteilen sichtbar und spürbar und zeigt, wie wirksam und gefürchtet dieser ist: Die feministischen Aktivistinnen von Pussy Riot werden vom Kreml und dem orthodoxen Patriarchen Kirill richtiggehend verfolgt. Sie haben mit ihren provokanten Auftritten weltweit für Aufsehen gesorgt. Der russische Staat reagierte über, aber: Erste Inhaftierungen von Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Marija Aljochina führten nicht zum gewünschten Ziel der Einschüchterung und Zerschlagung der Gruppe, sondern zu einer solidarischen Protestwelle und zunehmender Kritik an Kirche und Regierung. Trotz internationaler prominenter Unterstützung kamen die drei Frauen für 14 Monate ins sibirische Straflager. Als über sie kürzlich wieder eine Geldstrafe für das Hissen einer Regenbogenfahne verhängt wurde, konnte ich sie nach Austausch via Skype zumindest finanziell ein wenig unterstützen.

Fest steht: Ob Frauen in Russland, Belarus, Türkei, Iran, Afghanistan oder Polen – sie alle vereint der Mut trotz allen Widerständen für unser aller Rechte einzustehen. Danke dafür!