Am 11. Juli, dem Jahrestag für die Opfer von Srebrenica gedenken wir der über 8000 Menschen – Männer und Buben – die vor 25 Jahren in Srebrenica kaltblütig ermordet wurden. Es ist schwer vorstellbar, welch immenses Leid den Angehörigen durch diesen unwiederbringlichen Verlust widerfahren ist. Wir gedenken ferner der tausenden Frauen und Kinder, die von ihren eigenen Landsleuten, serbischen Nationalisten, vergewaltigt, vertrieben oder zwangsverschleppt wurden. Sie verdienen unser tiefstes Mitgefühl.

Die Gräueltat von Srebrenica, begangen von bosnisch-serbischen Truppen an bosnisch-muslimischen Zivilist*innen, ist das größte Kriegsverbrechen auf europäischem Boden seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die meisten der Mörder wurden nie zur Verantwortung gezogen. Wir sind es den Opfern und ihren Hinterbliebenen schuldig, über die unfassbaren Verbrechen zu sprechen, die Übeltäter beim Namen zu nennen und sie auch anzuklagen. Solange diese ihre Taten verharmlosen oder gar verleugnen, werden die Geister der Vergangenheit nicht zur Ruhe kommen, wird die Saat des nationalen Hasses immer wieder von Neuem aufgehen.

Europa und die Welt haben damals kläglich versagt, denn der Völkermord hat sich vor aller Augen vollzogen, ohne dass jemand eingeschritten wäre. Das Schutzversprechen der UNO hat sich in Schande, Schall und Rauch aufgelöst. Die gelebte Erinnerung an das Massaker von Srebrenica ist deshalb eine ständige Mahnung daran, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist und sich ähnliches nicht wiederholen darf. Nie wieder dürfen wir tatenlos zusehen, wenn Menschen systematisch ausgegrenzt, diskriminiert, entmenschlicht, verfolgt oder hingerichtet werden, wenn Gesellschaften gespalten und Nachbarn, Freunde und Familien zu Feinden gemacht werden. Es gilt wachsam zu sein, vor allem in unserem unmittelbaren Umfeld, und gleichzeitig die Grundidee der Europäischen Union als eine Union des Friedens und der Vielfalt zu stärken. Auch Österreich kann dazu einen aktiven Beitrag leisten – unter anderem mit einem Zivilen Friedensdienst, wie er auch im Regierungsübereinkommen vorgesehen ist. Damit setzen wir uns ein für eine Welt, in der Konflikte ohne Gewalt geregelt werden.

Ein Krieg endet nie mit dem letzten Schuss, er sucht auch die nachfolgenden Generationen solange heim, bis sich diese der schmerzvollen Wahrheit stellen. Und so sind leider auch 25 Jahre nach dem Massaker von Srebrenica die Wunden noch nicht verheilt. Noch immer dominieren Nationalisten die Erzählung, welche „den Anderen“ zum Feindbild stempelt. Diese Spirale des Hasses müssen wir durchbrechen. Eine tiefgehende gesellschaftliche Debatte bei Opfern, Tätern als auch ihren Nachgeborenen, welche zunächst einmal zu einer allgemeinen Anerkennung der Fakten führen würde, wäre ein erster notwendiger Schritt für ein friedliches Miteinander.