Kaum etwas ist vorhersehbarer als eine politische Wahl in einer „Scheindemokratie“. Wie allgemein erwartet hat deshalb auch bei der gestrigen Parlamentswahl in Serbien jene Liste gewonnen, die nach einem Mann benannt ist, der selbst nicht einmal zur Wahl stand: „Aleksandar Vucic – für unsere Kinder“. Die mit diesem Label versehene Serbische Fortschrittspartei von Präsident Vucic (SNS) konnte 63,4 % der Stimmen auf sich vereinigen, die bisher mitregierende Sozialistische Partei (SPS) von Außenminister Ivica Dacic landete mit 10,3 % an zweiter Stelle. Das rechtspopulistische Bündnis (SPAS) schaffte es mit 3,9 % als einzige oppositionelle Partei in die Nationalversammlung.

Die meisten Oppositionsparteien traten gar nicht erst zur Wahl an. Ihre Abgeordneten, die zuletzt monatelang an landesweiten Antiregierungsprotesten teilnahmen, riefen stattdessen zum Boykott des Urnengangs auf. Damit wollten sie auf die ungleichen & unfairen Wettbewerbsbedingungen aufmerksam machen. Tatsächlich kann die Opposition der staatlichen Übermacht des zunehmend autoritär regierenden Präsidenten wenig entgegensetzen, ein Scheitern bei einem Wahlantritt wäre deshalb sogar unabhängig von der eigenen Performance vorprogrammiert gewesen. Die geballte Kraft einer gefügigen Medienlandschaft, die von Vucics Geschäftsfreunden kontrolliert wird und der ungenierte Einsatz „administrativer Ressourcen“ lassen kaum Raum für kritische Botschaften. So werden unabhängige Journalist*innen und deren Berichte in den Staatsmedien regelmäßig verunglimpft. Der unabhängige Sender N1, der es wagte, die Rolle Vucics während der Jugoslawienkriege und seinen ungehaltenen Versprechen, wie etwa den Kampf gegen die Korruption, zu thematisieren wurde kurz darauf von den Kabelanbietern aus dem Programm genommen.

Die oligarchische Clique des regierenden Präsidenten hat sich mittlerweile gut in Serbien eingerichtet und nutzt daher auch alle vorhandenen Machtmittel, um ihre privilegierte Stellung zu halten. Trotz Günstlingswirtschaft und spürbaren Demokratieverfalls genießt Vucic aber hohe Popularität in der Bevölkerung. Steigende Löhne und ein Rückgang der Arbeitslosigkeit wie sie das Land zuletzt gesehen hat, zählen scheinbar bei vielen Serb*innen mehr als demokratische Spielregeln und bürgerliche Freiheiten. Die Politik der „starken Hand“ kommt aber nicht nur der regierenden Elite entgegen, er entspricht auch dem Wunsch eines großen Teils der Bevölkerung. 43 % der Menschen im Land wünschen sich laut einer Umfrage der „Westminster Foundation for Democracy“ einen „autoritären Führer“. Zudem genießen hier autoritäre Staaten einen weitaus besseren Ruf als Demokratien westlichen Zuschnitts: 60 % der Serb*innen haben laut einer Umfrage des „National Democratic Institute“ aus dem Jahr 2018 eine positive Meinung von Russland, 56 % von China, aber nur 27 % von der EU – nirgendwo in Südosteuropa ist die Zustimmung zur Union niedriger.

Der geringe Zuspruch zu einem gemeinsamen Europa hindert Vucic aber nicht daran, eine doppelbödige Strategie zu verfolgen. So wie bereits einige „Staatsführer“ bleibt er der Union und ihren demokratischen Spielregeln zwar formal verpflichtet, gleichzeitig dienen sie ihm aber als willkommene Zielscheibe zur Ablenkung von Problemen, die aus eigener Verantwortung erwachsen sind. In der politischen Realität kann man also auch die Hand beißen, die einen füttert. Für eine längerfristige Anbindung Serbiens an die Europäische Union und damit an die Werte, die sie verkörpert, verheißen das Ergebnis der Parlamentswahlen in Serbien und das Gebaren seiner Machthaber nichts Gutes. Dennoch dürfen wir die Hoffnung nicht aufgeben und müssen weiterhin jene Kräfte im Land unterstützen, die unbeirrt den autoritären Bafcklash ablehnen und den Weg der Demokratie und individueller Freiheit gehen wollen!