Ringen der Zivilgesellschaft um eine zivile Regierung oder im Sudan war die Hoffnung auf Demokratie groß, nun ist sie fast dahin. Zeit für ein #ÜberDenTellerrand

Jetzt hat der Putschist also einen Rückzieher gemacht. Rund 3 Wochen nach der gewaltsamen Machtübernahme im Sudan versuchte Militärmachthaber General Abdelfatah Burhan den Status quo ante wieder herzustellen, indem er den von ihm gestürzten Ministerpräsidenten Abdalla Hamdok direkt aus dem Hausarrest wieder auf seinen vormaligen Posten hievte. Wer oder was den Gescheiterten zu diesem Umkehrmanöver veranlasst hat, bleibt im Unklaren. Waren es die massiven Proteste auf der Straße? Waren es internationale Einflüsterer oder Zurufe? Tatsache ist, dass keiner der Beteiligten die Uhren zurückdrehen und das Geschehene ungeschehen machen kann. Das Machtteilungsabkommen, das nach dem Sturz des Diktators Omar al-Baschir 2019 vom Militär, der Opposition und Berufsverbänden gemeinsam ausgehandelt worden war, ist jetzt zwar formal wieder in Kraft, doch die Anti-Putsch-Bewegung, die seit fünf Wochen hunderttausende Menschen im ganzen Land zu Demonstrationen mobilisiert hat, ist nicht bereit, diese Volte einfach so hinzunehmen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass die führenden staatlichen Institutionen mehr als vor dem Putsch auf die Bedürfnisse der Militärs zugeschnitten sind. Die Zivilist*innen, welche im Souveränitätsrat, das die Staatsspitze bildet, sitzen, sind vom Militär ausgesucht. Im Kabinett des wieder eingesetzten Präsidenten Hamdok werden anstatt Politiker*innen vom Volk abgekoppelte Technokraten das Sagen haben.

Bereits nach der Vereinbarung für eine neue Übergangsregierung, die Hamdok und Burhan Ende November unterzeichnet hatten, gingen Demonstrierende zahlreich auf die Straße. Die Polizei setzte Tränengas ein. Seitdem flammen die Massenproteste immer wieder von Neuem auf. Gegner*innen der Übergangsregierung werfen Hamdok Verrat vor. Sie wollen, dass sich das Militär sofort und vollkommen aus der Politik zurückzieht und für den Putsch zur Rechenschaft gezogen wird.

Noch ist unklar, wie viel Macht Hamdok seit seiner Wiedereinsetzung tatsächlich besitzt. Das zivile Lager scheint gespalten. Zwölf ehemalige zivile Regierungsmitglieder waren zuletzt zurückgetreten, weil sie Hamdoks Strategie des Dialogs mit dem Militär ablehnten. Immerhin konnte Hamdok inzwischen vom Militär veranlasste Entlassungen in öffentlichen Einrichtungen stoppen. Außerdem konnte er die Freilassung einiger Politiker erreichen. Doch befinden sich nach seinen eigenen Angaben noch immer dutzende in Haft.

Die Hoffnung, dass es eine geordnete demokratische Transformation im Sudan geben wird, ist für den Moment jedenfalls dahin. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Das Militär hat trotz des eingelegten Retourgangs gezeigt, dass es nicht bereit ist, die Zügel aus der Hand zu geben, auch wenn die Bevölkerung weiter und unermüdlich für ihre Freiheitsrechte kämpft. Zwar soll es 2023 demokratische Wahlen geben, bei denen laut General Burhan militärische und paramilitärische Mitglieder der Übergangsregierung von einer Kandidatur ausgeschlossen sein sollen, doch ob diese Zusage angesichts des unberechenbaren Verhaltens der Militärs hält, ist mehr als fraglich.

Die für das Jahr 2023 anvisierten demokratischen Wahlen scheinen aktuell weniger und weniger greifbar. Es bleibt der Trost, dass zumindest das Blutvergießen voraussichtlich beendet wird. 42 Menschen sollen schon ums Leben gekommen sein. Alles in allem ist es aber beunruhigend, dass neben Äthiopien mit dem Sudan nun ein weiterer relevanter Player in der Region ins Chaos zu stürzen droht. Am Beispiel Äthiopiens ist ja gut sichtbar, wie die Krise in einem afrikanischen Schlüsselstaat andere Länder mit in den Abgrund reißen kann. So hat etwa Äthiopiens Nachbarstaat Eritrea Soldaten dorthin geschickt, der Sudan wiederum Zehntausende Flüchtlinge von dort aufgenommen. Sollte der Konflikt im Sudan also eskalieren, würde sich die politische wie humanitäre Krisenlage mit Sicherheit weiter ausweiten. Dies hätte zweifellos immense negative Auswirkungen auf die gesamte Subregion. Wenn uns also etwas am langfristigen Frieden, an der Sicherheit der Bevölkerung und der Stabilität der Region liegt, dann müssen wir hinschauen und durch Projekte und Partnerschaften den demokratischen Wiederaufbau gezielt unterstützen. All diese Themen konnte ich gemeinsam mit Kollegin Faika El-Nagashi und der sudanesischen Aktivistin Ishrag Mustafa besprechen – danke für den Besuch und den Einsatz für Demokratie!