Absoluter Wahnsinn oder das größte Atomkraftwerk in Europa wurde heute Nacht durch die russische Armee erobert – es gibt eine Entwarnung, es besteht keine Gefahr durch erhöhte Radioaktivität. Der Krieg wütet jedoch weiter – ich bin am Weg zur ukrainischen EU-Außengrenze.

Täglich erreichen uns furchtbare Nachrichten und Bilder. Zuletzt: Russische Truppen belagern die ukrainische Hafenstadt Mariupol und stimmen hier nicht einmal einem humanitären Korridor zu. Die Menschen dort sagen, dass sie von Strom, Nahrung, Wasser, Heizung und Transport abgeschnitten sind. In Tschernihiw tötete das russische Bombardement 47 Menschen, darunter 38 Männer und 9 Frauen, Schulen wurden zerstört, Kinder traumatisiert. Das alles ist absolut grausam – wir stehen nach einer Woche Krieg am Rande einer humanitären Katastrophe. Zum Glück gibt es jetzt zumindest eine Einigung zwischen Russland und Ukraine humanitäre Hilfe zu zulassen.

Mehr als eine Million Menschen sind bereits über die ukrainischen Grenzen in Sicherheit geflohen. 80.000 kehrten in die Ukraine zurück, um in den Kampf zu ziehen. Fakt ist: Europa ist angesichts der russischen Bedrohung enger zusammengerückt. Es gibt starke Antworten auf das furchtbare Leid, das Putin mit seinem verbrecherischen Angriffskrieg verursacht. Wir stehen gemeinsam und solidarisch an der Seite der Menschen in der Ukraine: Die Rechtsgrundlage, die nach den Balkan-Kriegen geschaffen wurde, werden wir erstmals anwenden, was heißt: Geflüchtete aus der Ukraine müssen kein Asylverfahren durchlaufen. Sie erhalten einen vorübergehenden Schutz in der EU für bis zu 3 Jahre. Für mich ist klar: Krieg ist Krieg und Menschen sind Menschen. Jede*r ist vor dem Recht gleich. Wenn jemand glaubt, dass Menschen die aus Syrien vor Putins Bomben flüchten keine echten Flüchtlinge sind oder weniger schutzbedürftig oder wenn Menschen aus afrikanischen Staaten aktuell an den Außengrenzen besonders um Schutz kämpfen müssen, weil sie keinen ukrainischen Pass haben, dann müssen wir aufschreien.

Ich werde mir in den nächsten Tagen wieder Vorort ein Bild davon machen, wie wir in Europa und im Speziellen an unseren Grenzen unserer Verantwortung in dieser Katastrophe nachkommen können und werde über Eindrücke und Lösungsperspektiven berichten. Im Übrigen und weil jetzt viele glauben, mit mehr Waffenarsenalen schneller Frieden zu schaffen: Ich bezweifle, dass uns diese Aufrüstung einer langfristigen Friedensordnung in Europa wirklich näher bringt. Im Gegenteil. Sich gerade jetzt auf eine nachhaltige Friedenspolitik ohne fossile Abhängigkeiten zu besinnen, muss unsere Perspektive für die Zukunft sein. Eine Militarisierung mündet erst recht im neuen Kalten Krieg der permanenten Bedrohung. Fürs erste aber heißt es jetzt akut: Stoppen wir Putin, schützen wir alle Menschen, die Schutz brauchen.