Meine Gedanken sind bei den Menschen in Afghanistan. Alle, die jetzt nicht über akute Hilfe für die Fliehenden, sondern über Abschiebung reden – schämt Euch.

Die Geschwindigkeit mit der die Taliban vorrückten, gibt gut Aufschluss über ihre Vorhaben: Die totale Machtergreifung, ohne Rücksicht auf Verluste. Gutgemeinte Appelle an diese sind passé, geschweige denn, dass noch jemand seriös von Abschiebungen in das Gebiet sprechen kann. Fakt ist: Es gab viele Fehleinschätzungen die letzten Wochen und zahlreiche Versäumnisse die letzten Jahre. Die Illusion einiger mit einem moderaten Emirat geordnete internationale Beziehungen führen zu können, ist dahin. Mit fanatischen Mördern zu kollaborieren ist keine Option. Jetzt geht es um Leben und Tod – rasche, internationale Hilfe ist entscheidend:

1. Sicherstellung weiterer Evakuierungen – zumindest Ortseinsatzkräfte, Journalist*innen, Menschenrechtsaktivist*innen, Frauen, Mädchen und Kinder müssen so schnell wie möglich in Sicherheit gebracht werden. Österreich muss besonders vulnerablen Gruppen Schutz anbieten.

2. In den Nachbarregionen muss rasch die Versorgungslage für die vertriebenen und flüchtenden Menschen hergestellt werden. Das oberste Ziel muss sein die Fluchtwege in die Nachbarstaaten offen zu halten. Schutz der Zivilbevölkerung heißt auch Schutz für die Binnenvertrieben, sichere, effektive Fluchtmöglichkeiten in die Region, unter anderem nach Pakistan und in den Iran (wo sich die meisten afghanischen Flüchtlinge befinden), aber auch Fluchtmöglichkeiten in die USA, nach Kanada, Australien und nach Europa, durch gezielte Resettlement- und humanitäre Aufnahmeprogramme.

3. Debatten über Abschiebungen sind eine absolute Themenverfehlung und eine Verkennung der Situation. Österreich muss jetzt Impulse für die Unterstützung von Flüchtenden in den sicheren Regionen setzen und sich aus dem AKF mit einem Millionenbetrag an humanitärer Hilfe beteiligen.

4. Koordiniertes Vorgehen der EU-27 ist notwendig – keine Alleingänge, keine Parallelstrukturen neben der EU. Wir haben aus 2011 gelernt, dass Alleingänge einzelner Regierungen nicht zielführend sind, es braucht ein akkordiertes EU-Programm.

5. Beim heutigen UN-Sicherheitsrat ist die Involvierung der Region (neben den Doha-Teilnehmer*innen, Iran, Pakistan und andere zentrale regionale Player) entscheidend. Morgen tagen auf EU-Ebene die Außenminister*innen, am Mittwoch die Innenminister*innen, ich fordere einen gesamtheitlichen EU-Sondergipfel mit Beteiligung von u.a. IRK, IOM, UNHCR.

Darüber hinaus: Eine Schande, wie wir angesichts der Katastrophe versagen und den verzweifelten Menschen, die sich an die letzten Flugzeuge klammern, keine Perspektiven zu bieten imstande sind. Unsere Beteuerungen zu Menschenrechten sollen daran gemessen werden, wie unser Einsatz dafür jetzt konkret aussieht.