Am heutigen Tag der Pressefreiheit traf ich einen Mann, der in der heimischen Polit-Landschaft viel durcheinander gewirbelt hat und vielen deshalb weiterhin ein Dorn im Auge ist: Julian Hessenthaler.

Sein „Ibiza-Video“ und dessen Folgewirkung haben zunächst die Regierungskoalition aus rechtsextremer FPÖ und rechtspopulistischer ÖVP zu Fall gebracht und Schritt für Schritt ein dichtes Netz an Korruption, Gier und Manipulation im türkis-blauen Machtbereich aufgedeckt. Hessenthaler war einer von drei Männern, welche an der Entstehung des Videos beteiligt waren. Erinnern wir uns kurz vor dem 4-Jahres-Jubiläum der Veröffentlichung zurück: Das „Ibiza-Video“ wurde im Jahr 2017 aufgenommen und am 17. Mai 2019 von der deutschen Zeitung „Der Spiegel“ und der österreichischen Tageszeitung „Der Falter“ veröffentlicht. Wie wir alle wissen, zeigt das Video den damaligen österreichischen Vizekanzler Heinz-Christian Strache und den ehemaligen FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus beim versuchten Ausverkauf Österreichs an eine vermeintliche russische Oligarchen-Nichte. Zugeschanzte Staatsaufträge im Gegenzug für die Unterstützung der FPÖ, war die Devise.

Das Video löste hierzulande eine öffentliche Debatte über politische Korruption, Machtmissbrauch und Einflussnahme auf die Medien aus. Das Gezeigte förderte zu Tage, wie sehr führende Politiker:innen bereit waren, zum Zwecke des Machterhalts illegalen und unmoralischen Handel auf Kosten der Allgemeinheit zu betreiben. Das Video hatte zudem auch nachhaltige Auswirkungen auf die Medienfreiheit und den Journalismus in Österreich, weil es die Bedeutung unabhängiger und investigativer Berichterstattung unterstrich. Aber: Nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ wurde Hessenthaler intensiv gesucht. Während mit der Untersuchung der Korruptionshinweise gegen Strache & Co. nur drei Beamte betraut wurden, wurden für das Auffinden des Aufdeckers ganze 20 abgestellt. Am 10. Dezember 2020 wurde der ehemalige Privatdetektiv in Berlin verhaftet. Ihm wurde die illegale Herstellung von Ton- und Filmaufnahmen sowie Kokainhandel zur Last gelegt. Am 2. März 2021 entschied das Kammergericht Berlin, dass er nach Österreich ausgeliefert werden darf. Hessenthaler wurde am 9. März 2021 an das Landesgericht für Strafsachen Wien überstellt, nachdem er am 5. März 2021 noch vor dem „Wirecard“-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages als Zeuge ausgesagt hatte. Verhandelt wurde sein Fall nicht in Wien, sondern in St. Pölten. Am Verfahren gegen Hessenthaler, das ihm am Ende dreieinhalb Jahre Haft wegen eines Drogen-Delikts (nicht wegen des Videos) eingebracht hat, gab und gibt es massive Zweifel. Diese betreffen sowohl die Beweislage als auch die Glaubwürdigkeit der Zeug:innen. Nun werden diese Vorwürfe sogar auf deutscher wie auch auf EU-Ebene untersucht. Er selbst wandte sich mit einer Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Auch deshalb ist der Fall für mich von Interesse.

Fakt ist: Politkorruption bleibt in Österreich Thema. Im Grunde wissen wir gar nicht, was wir alles nicht wissen. Vieles hat die WKStA bspw. trotz intensivstem Sperrfeuer von außen herausgefunden und auch das oft nur aufgrund der schrägsten Zufälle wie z.B. der Auswertung eines Handys, das einem ÖVP-Kabinettschef bei einem Bootsausflug ins Wasser fiel. Es darf also vermutet werden, dass das, was in den letzten Jahren ans Tageslicht kam, nur die Spitze des Eisberges sein dürfte. Was wir wissen, reicht aber völlig als Beweis für die Dringlichkeit aus, mit der wir gegen die grassierende Korruptionsanfälligkeit auf höchster polit-medialer Ebene vorgehen müssen. Was bleibt, sind Fragen: Warum wird ein Mensch, der Politskandale aufdeckt, stärker verfolgt, als so mancher Verbrecher? Was, wenn sich Korruption und schmutzige Deals überhaupt nur mit riskanten Manövern aufdecken lassen? Wie geht unsere Gesellschaft prinzipiell mit Menschen um, die Missstände ans Tageslicht bringen? Warum wird Korruption in der Politiklandschaft und die Übervorteilung der Menschen in Österreich auch von der Gesellschaft nicht stärker als Problem wahrgenommen und entsprechend bekämpft? Wie anders ist es nämlich zu erklären, dass zurzeit ausgerechnet jene Partei in Wahlen Zuspruch erhält, deren moralisch-morscher Zustand die ganzen Ereignisse erst in Gang gebracht hat? Ich bin gespannt auf die Ergebnisse und Einschätzungen des EGMR und bedanke mich für das Gespräch. Fest steht: Ohne Meinungs,- und Pressefreiheit, ohne Schutz für Whistleblower wüssten wir noch weniger von manch’ Machenschaft im Hinterzimmer – und das wäre noch verheerender.