„Keine Gewalt mehr, stoppt die Gewalt“, so appelliert die UN-Vertreterin für Menschenrechte, Juliette de Rivero, in Kolumbien Richtung Regierung.

Seit knapp zwei Wochen kommt es in Kolumbien zu blutigen Protesten, bei denen immer mehr Menschen getötet und noch mehr verletzt werden. Die Zahlen sprechen für sich: 47 Tote gibt es bereits, 278 Opfer von Polizeigewalt, 963 Verhaftungen und 356 weitere Gewaltakte während der Demonstrationen gegen die eigene Bevölkerung. Brennpunkt der Ereignisse ist die Salsa-Metropole Cali. Hunderte Indigene kamen in die Stadt, um für die Einhaltung ihrer Rechte zu demonstrieren, mindestens 8 von ihnen wurden durch Schüsse verletzt. Immer mehr Videos, die in sozialen Netzwerken kursieren, zeigen Auswüchse der staatlichen Repression: In Cali soll ein ungekennzeichneter Lastwagen unterwegs gewesen sein, aus dem Polizisten in Zivil stiegen und auf Demonstrierende schossen.

Auslöser für die Proteste war eine umstrittene Steuerreform, doch die Ursachen liegen freilich tiefer. Eine gigantische Flucht aus Venezuela, eine verheerende Wirtschaftskrise getrieben durch die Corona-Pandemie und eine Politik des Präsidenten Iván Duques, die vor allem zu Lasten der Mittel- und Unterschicht geht, führten das Land an den Rand des Zusammenbruchs. Die Armutsrate stieg innerhalb kurzer Zeit um 7%, rund 21 der mehr als 50 Millionen Kolumbianer*innen gelten demnach als arm – Verteilungskämpfe inklusive. Leider sieht es nicht so aus, als ob der unter Druck geratene Präsident auf soziale Entlastung der Menschen zum einem und auf Deeskalation zum anderen, setzen würde. Stattdessen hat er nach eigenen Worten „den größtmöglichen Aufmarsch der Sicherheitskräfte“ in die Wege geleitet. Ein gewaltfreier Dialog mit der Zivilbevölkerung rückt in weite Ferne.

Die kolumbianische Diaspora demonstrierte jetzt in Wien, um auf die drastische Situation und Gewalt im Land aufmerksam zu machen und internationale Solidarität einzufordern. Viele sorgen sich um ihre Freund*innen und Familien. Fakt ist: Der „Westen“ ließ sein südamerikanisches Partnerland bei der Bewältigung der Krisen bisher weitgehend im Stich. Als wichtiger europäischer Partnerstaat in Lateinamerika ist Kolumbien angesichts der aktuellen Entwicklungen dringend auf konkrete Unterstützung seiner internationalen Partner *innen angewiesen, um Wege aus den zahlreichen Krisen zu finden. Wie das am besten zu bewerkstelligen ist, wollen wir demnächst auch im Österreichischen Parlament mit den Vertreter*innen der kolumbianischen Community in Österreich debattieren.