Ohne zynisch zu sein: Dass es zu Verhaftungen von Oppositionellen kommt und der autoritäre Präsident Alexander Lukaschenko auch im Vorfeld alles tut um sich an der Macht zu halten, war klar. Manipulation stand von Beginn an im Raum – 40 % sollen ihre Stimme vorzeitig abgegeben haben. Kaum jemand rechnete mit einem ehrlichen Ergebnis. Jetzt gewann Lukaschenko laut offizieller Prognose die Präsidentschaftswahl mit 80,2 %, während seine Herausforderin Tichanowskaja nur 9,9 % der Stimmen bekommen haben soll. Gestern Abend demonstrierten Tausende gegen die Wahlfälschungen, es kam zu Ausschreitungen, ein Demonstrant kam vermutlich ums Leben, es gab mindestens 200 Festnahmen. Die Gruppe der Menschen, die aufbegehrt, wächst. Noch spannender ist aber, dass Lukaschenko Putin Einmischung vorwirft – ein Streit mit Russland wäre mittelfristig sein Ende.

Als Lukaschenko vor ein paar Monaten in Wien zu Besuch war, bestritt er auf meine Frage hin irgendeine Form von Unterdrückung der Bevölkerung und rühmte sich noch mit Demokratie. Das ist Zynismus: Heute in der Nacht wurde das Militär in Minsk zusammengezogen, vor Regierungsgebäuden wurden Absperrgitter aufgestellt. Seit gestern Mittag funktionieren weite Teile des Internets nicht mehr. Eine Berichterstattung war für Journalist*innen so gut wie unmöglich, Korrespondenten wurden auf brutale Art und Weise festgenommen. Gegen Demonstrierende setzten die Sicherheitskräfte mit aller Brutalität Wasserwerfer, Tränengas und Blendgranaten ein. Die Hoffnungsträgerin vieler, Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, will den Sieg von Staatschef Alexander Lukaschenko jedenfalls nicht anerkennen. Sie war angetreten, nachdem ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen worden war und hat viel Zustimmung erhalten.

Fest steht: Die Stimmung ist aufgeheizt und Lukaschenko wird die Proteststimmen nicht so einfach zum Verstummen bringen. Weißrussland ist dringend angehalten, Grundfreiheiten, Menschen- und Bürger*innenrechte, einschließlich der Rechte nationaler Minderheiten und der Meinungsfreiheit zu respektieren. Hierfür gibt es bereits einen Appell von Polens und Litauens Präsident an Lukaschenko. Jetzt sollten auch weitere Staaten diesen zur Verzicht auf Gewalt auffordern. Eine Zusammenarbeit mit der Europäischen Union ist im Interesse von Weißrussland, diese sollte alleine deshalb nicht schweigen!