Ein Jahr ist seit der unrühmlichen Entscheidung des Verfassungsgerichts in Polen vergangen, es gibt erste Opfer.

Die Proteste waren laut, trotzdem wurde den Frauen von der polnischen PiS Regierung ihr letztes Selbstbestimmungsrecht genommen. Das bereits davor eines der restriktivsten Abtreibungsgesetze in ganz Europa wurde mit der Verschärfung zur Todesfalle: Frauen können Schwangerschaften mit tödlichen Defekten nicht mehr abbrechen, sie sind gezwungen, außerhalb von Krankenhäusern, außerhalb des Gesundheitssystems, Hilfe zu suchen. Sie gehen in den Untergrund, gehen ins Ausland, suchen im Internet nach Hilfe. Fakt ist: Der Angriff der Regierung auf Frauenrechte hat tödliche Folgen, mindeste 3 Fälle sind bereits bekannt. Vor allem nach dem Tod der 30-jährigen Izabela flammten die Proteste aufs Neue auf. Die zuständigen Ärzte im südlichen Teil Polens hatten angeblich Angst vor rechtlichen Konsequenzen und retteten das Leben der Frau nicht. Die Regierungsvertreter dazu: Kann halt passieren, dass frau an einer Schwangerschaft stirbt. Glücklicherweise gibt es einige Organisationen, wie Federacja na rzecz Kobiet i Planowania Rodziny, um in diesen aussichtslosen Situationen zu helfen. Während meines Aufenthalts in Warschau hatte ich die Gelegenheit, einige Vertreter*innen dieser Organisation zu treffen. Ihre Arbeit ist enorm wertvoll und wird gleichzeitig enorm erschwert. Respekt für den unermüdlichen Einsatz!

Am heutigen Tag sei nicht unerwähnt, dass der 11.11. der polnische Unabhängigkeitstag ist. Eigentlich ein Grund zur Freude: An diesem Tag 1918 wurde die 2. Republik nach 123 Jahren der Teilung durch Russland, Preußen und die Habsburgermonarchie durch Oberbefehlshaber und den späteren Präsidenten Pilsudski gegründet. Aber: Der diesbezügliche Unabhängigkeitsmarsch in Warschau wurde schon vor Jahren von Rechtsextremen, (neo-)faschistischen Gruppen und rechter Politik gekapert. Letztes Jahr haben diese Teilnehmer Bengalen in die Wohnungen der Frauen geworfen, die sich bekanntlich für ProChoice einsetzen. Auch heuer grassiert die Angst vor einer Eskalation dieser Gruppen, zusätzlich befeuert durch die Situation an der Grenze. Selbstbestimmte Frauen und Flüchtlinge sind nämlich gleichermaßen ihre Feindbilder.

Wir lassen nicht locker und sprechen den Polinnen in ganz Europa gerade heute unsere Solidarität aus, ihre Entrechtung nehmen wir nicht einfach hin. Wir lassen nicht zu, dass rechtsextremes Gedankengut salonfähig wird und hoffen, dass es heute beim Marsch zu keinen Angriffen auf diese kommt. Demo-Gruppen wie Protestea bereiten sich auf Polizeigewalt und Repression vor – ihre Grundausrüstung: ein Akutkoffer gegen Tränengas und warmer Tee. Ihr Wunsch an die Welt: Schaut nicht weg, während wir um Freiheit & Demokratie ringen. Schaut hin.